Zwei-Staaten-Lösung, Westjordanland, PLO und Oslo-Friedensprozess: Wenn es um Israel und die Palästinensischen Gebiete geht, dann gibt es viele Schlagworte, deren genaue Bedeutung in den Debatten oftmals verschwimmt.
Wie geht es weiter im Nahen Osten? Zwar hält die Waffenruhe zwischen der palästinensischen Terrororganisation Hamas und Israel an. Aber der Weg zum Frieden ist noch weit. Warum die Lage so kompliziert ist, zeigt ein Blick auf die Ursprünge des Konflikts – und die aktuelle Lage. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet fünf grundlegende Fragen zu dem Thema.
Nach dem Ersten Weltkrieg gerät Palästina unter die Kontrolle Großbritanniens. Der Völkerbund – Vorläufer der Vereinten Nationen – bestätigt 1922 das Mandat, trägt den Briten aber zugleich auf, eine “eigene Heimstätte” für das jüdische Volk in Palästina zu unterstützen.
Ab 1933 beginnen die Nationalsozialisten, die Juden in Deutschland und später ganz Europa zu verfolgen. Wer kann, flieht – unter anderem nach Palästina. Dort kommt es deswegen vermehrt zu Spannungen zwischen Juden, Arabern und der britischen Besatzungsmacht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg dringen die Briten darauf, dass sich die neu gegründeten Vereinten Nationen des Problems annehmen. Die Generalversammlung stimmt 1947 für die Teilung Palästinas in zwei Staaten und für das Ende des britischen Mandats.
Den Arabern werden im Süden der Gazastreifen samt einem Landstrich längs der ägyptischen Grenze zugewiesen, dazu das Westjordanland mit den Städten Hebron, Bethlehem und Ramallah sowie im Norden an der Grenze zum Libanon die Region Westgaliläa. Der Rest des ehemaligen Mandatsgebiets ist für den jüdischen Staat vorgesehen. Einzig Jerusalem soll wegen seiner für Juden, Christen und Muslime heiligen Stätten unter Verwaltung der Vereinten Nationen bleiben.
Die arabischen Staaten lehnen den Teilungsplan ab. Als 1948 der israelische Staat ausgerufen wird, erklären sie Israel den Krieg. Er endet mit einem Waffenstillstand ohne Anerkennung Israels oder seiner Grenzen durch die arabischen Staaten.
Die Lage bleibt äußerst angespannt. Die Antwort Israels auf die Drohungen der arabischen Seite erfolgt im “Sechs-Tage-Krieg” 1967. Der Sinai, die Golanhöhen, das Westjordanland, Ost-Jerusalem und der Gazastreifen werden besetzt.
In der Folgezeit kommt es noch mehrfach zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Israel und den Nachbarstaaten. Zugleich verschärfen sich die Spannungen durch Aufstände von Palästinensern und den Bau israelischer Siedlungen auf palästinensischem Gebiet.
Im Teilungsplan von 1947 hatten sich die den Palästinensern zugestandenen Territorien noch berührt; inzwischen sind der Gazastreifen und das Westjordanland räumlich voneinander getrennt. Verwaltet werden diese beiden Gebiete seit 1994 von der Palästinensischen Autonomiebehörde. Den Gazastreifen beherrscht de facto seit 2007 die Hamas.
Unübersichtlich in jeder Hinsicht. Nach zwei Jahren Krieg steht in dem rund 40 Kilometer langen Streifen an der Mittelmeerküste kein Stein mehr auf dem anderen. Die Infrastruktur ist zu 80 Prozent zerstört. Fast die komplette Bevölkerung von schätzungsweise gut zwei Millionen Einwohnern wurde zu Binnenflüchtlingen. Mindestens 65.000 Menschen wurden getötet. Viele Überlebende sind traumatisiert. Zugleich fehlt es an Nahrungsmitteln und grundlegender medizinischer Versorgung, weil Hilfslieferungen lange von den israelischen Behörden blockiert wurden.
Politisch ist die Lage chaotisch. Zuletzt gab es Berichte über bewaffnete Auseinandersetzungen der Hamas mit anderen Gruppen. Die Palästinensische Autonomiebehörde mit ihrem bald 90-jährigen Präsidenten Mahmud Abbas an der Spitze hat kaum Einfluss auf die Lage im Gazastreifen. Wer könnte stattdessen die Zügel in die Hand nehmen? Ein Name, der zuletzt häufiger fiel, ist Nasser al-Qudwa. Der 72-Jährige ist unlängst wieder in seine Heimat zurückgekehrt – und hat einen berühmten Onkel: den einstigen Palästinenserführer Jassir Arafat.
Die Terrormiliz ist militärisch geschwächt, wohl 90 Prozent ihrer führenden Köpfe wurden getötet – aber sie bleibt gefährlich. Schätzungen über die Zahl ihrer Kämpfer allerdings reichen von wenigen Tausend bis immer noch weit über 20.000 Mann. Obendrein hat sie in den vergangenen Jahrzehnten ein großes Wirtschaftsimperium aufgebaut, das auch Konten und Investitionen im islamischen Ausland umfasst. Eine weitere Stärke ist ihre ideologische Verwurzelung in Teilen der palästinensischen Bevölkerung. Das birgt die Gefahr, dass die Hamas weiterhin in der Lage ist, in kurzer Zeit neue Rekruten zu mobilisieren. Beobachter gehen davon aus, dass der Rückhalt der Hamas in der palästinensischen Bevölkerung durch den Krieg stark gelitten hat. Innerhalb der globalen islamistischen Szene ist ihr Prestige trotz der militärischen Niederlage aber gewachsen und wirkt inzwischen auch in die linksradikalen Milieus und antiisraelischen Sympathisantenkreise im Westen.
Das ist derzeit kaum absehbar. Das Friedensabkommen sieht einen vollständigen politischen Rückzug der Hamas und eine “Technokraten-Regierung” für den Gazastreifen vor. Aus der Terrororganisation gibt es zwar Ankündigungen, auf eine künftige Regierungsbeteiligung zu verzichten. Doch eine Entwaffnung lehnt sie bisher ab; im Gazastreifen tritt sie machtbewusst auf und richtete zuletzt zahlreiche Rivalen und angebliche Kollaborateure Israels hin. Das spricht dafür, dass die Hamas weiterhin als politischer Akteur an der politischen Zukunft der Palästinenser mitwirken will. Als Ordnungsmacht und sozialer Akteur erscheint sie derzeit im Gazastreifen ohne Alternative.
Wichtig für die Zukunft der Islamistenorganisation ist aber auch die Frage, wie sich ihre früheren Unterstützer-Länder künftig zu ihr stellen, insbesondere Katar, die Türkei und der Iran. Katar hat seine beträchtlichen finanziellen Hilfen für die Hamas auf Drängen der USA eingestellt; die Türkei positioniert sich inzwischen auch eher als Vermittler im Nahostkonflikt.
Letztlich geht die Idee von zwei Staaten, einem jüdischen und einem arabischen, auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zurück. Realisiert wurde sie jedoch bisher nicht.
Ein Wendepunkt stellte es Sicht vieler Beobachter der 1993 begonnene Oslo-Friedensprozess dar. Damals erkannte Israel erstmals die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO, die Dachorganisation der Palästinenser, als legitime Vertretung des palästinensischen Volkes an. Geplant war, dass die Palästinenser Zug um Zug die Verwaltung über Gazastreifen und Westjordanland übernehmen. Mit der Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin 1995 verlor dieser Prozess jedoch an Dynamik.
Aktuell mehren sich wieder die Rufe nach einer Zwei-Staaten-Lösung. Allerdings halten es viele Experten angesichts der weiter bestehenden Spannungen – aber auch wegen des Siedlungsbaus, der das palästinensische Land wie ein Flickenteppich durchzieht – für unwahrscheinlich, dass sie sich in absehbarer Zeit realisieren lässt.
Der 20-Punkte-Plan von US-Präsident Donald Trump, der Grundlage für die in der vergangenen Woche eingetretene Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas ist, bietet jedenfalls wenig Perspektiven. Er klammert die Lage im Westjordanland aus und damit die viel größere Frage, wie der israelisch-palästinensische Konflikt selbst gelöst wird.