Vergessene Krisen in Afrika

In Angola herrscht die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. Fast vier Millionen Menschen leiden unter Hunger, und über 100.000 Kinder unter fünf Jahren sind unterernährt.

Ruandische Kinder im Flüchtlingslager Camp Magare in Burundi (Archivbild)
Ruandische Kinder im Flüchtlingslager Camp Magare in Burundi (Archivbild)Imago / Rainer Unkel

Angola, Malawi und die Zentralafrikanische Republik führen die Rangliste der vergessenen humanitären Krisen 2022 an. Das Hilfswerk Care präsentierte am Donnerstag seinen jährlichen Bericht über zehn humanitäre Krisen, die unter dem Radar der Öffentlichkeit stattfinden. Erstmals spielen sich in diesem Jahr alle aufgelisteten Krisen auf dem afrikanischen Kontinent ab.

Historische Hungerkrise

In Angola herrscht die schlimmste Dürre seit 40 Jahren, wie es hieß. Fast vier Millionen Menschen litten Hunger und über 100.000 Kinder unter fünf Jahren seien unterernährt. Zur Lage in dem westafrikanischen Land gab es demnach 1.847 Online-Artikel. Zum Vergleich: Über den Rechtsstreit zwischen Schauspieler Johnny Depp und Schauspielerin Amber Heard gab es im selben Zeit- und Sprachraum 217.201 Artikel.

Die Vize-Präsidentin für Internationale Programme bei Care, Claudine Awute, nannte es angesichts einer dramatischen Lage in vielen afrikanischen Ländern besorgniserregend, dass über die Not der Menschen dort kaum berichtet werde. „Die Vereinten Nationen warnten kürzlich vor einer historischen Hungerkrise in Afrika. Das Ausmaß davon erleben wir täglich bei unserer Arbeit. Eltern lassen Mahlzeiten aus, damit ihre Kinder nicht hungern. Felder trocknen aus, Vieh stirbt. Familien flüchten, weil sie keine Nahrung und kein Wasser finden.“ Wenn die Welt weiterhin wegsehe, werde dies „katastrophale Konsequenzen“ haben.

Humanitäre Hilfe auf Rekordhoch

Weltweit sei der Bedarf an humanitärer Hilfe im vergangenen Jahr auf ein Rekordhoch gestiegen, betonte die Geschäftsführerin von Care Österreich, Andrea Barschdorf-Hager. 339 Millionen Menschen weltweit fehle es an alltäglichen Dingen für das Überleben. „Wir sehen zudem, dass Krisen länger andauern“, so die Expertin.

Trauriger Rekordhalter im Care-Ranking ist die Zentralafrikanische Republik. Über die rund drei Millionen Menschen, die hier humanitäre Hilfe benötigen, wird seit sechs Jahren wenig berichtet. Auch Burundi, dieses Jahr auf Platz sechs, taucht immer wieder auf der Liste auf.

Der Generalsekretär von Care Deutschland, Karl-Otto Zentel, verwies zudem darauf, wie schnell sich die Situation verändern könne. So habe die Ukraine in der Liste für 2021 noch Platz 2 der Krisen belegt, die am wenigsten Aufmerksamkeit erhielten. Dies habe sich mit dem russischen Angriffskrieg schnell verändert: „Mit 2,2 Millionen Online-Artikeln ist die Ukraine 2022 die Krise, über die mit Abstand am meisten berichtet wurde.“ Dies belege einmal mehr eine alte Beobachtung: „Je weniger räumliche Distanz zwischen uns und einer Krise ist und je besser wir uns mit den betroffenen Menschen identifizieren können, desto mehr Aufmerksamkeit widmen wir den Ereignissen.“

Seit 2016 bringt Care den Bericht der medial unterrepräsentierten Krisenregionen heraus. Analysiert wurden zwischen Januar und Oktober 2022 demnach 5,8 Millionen Online-Artikel in fünf Sprachräumen über jene 47 weltweiten Krisen, die mehr als eine Million Menschen
betreffen.

Es gehe nicht um eine „Konkurrenz der humanitären Krisen“, betonte Barschdorf-Hager. Allerdings habe mediale Aufmerksamkeit auch einen Einfluss auf private Spendenbereitschaft.