Verbot von Genitalverstümmelung in Gambia könnte fallen

In Gambia steht weibliche Genitalverstümmelung möglicherweise bald nicht mehr unter Strafe. Das Parlament will einen entsprechenden Vorstoß prüfen lassen. Menschenrechtler sind schockiert.

Das Ergebnis der Debatte im gambischen Parlament ist eindeutig. Nach Informationen des Senders BBC Africa stimmten am Montag 42 von 49 Abgeordneten dafür, einen höchst umstrittenen Entwurf offiziell prüfen zu lassen. Der sieht vor, das 2015 eingeführte gesetzliche Verbot weiblicher Genitalverstümmelung wieder aufzuheben.

Eingebracht hat den Vorstoß der Abgeordnete Almammeh Gibba, der so die „religiöse Reinheit aufrechterhalten sowie kulturelle Normen und Werte schützen“ will. Unterstützung erhält er von einflussreichen Muslimen wie Abdoulie Fatty. Nach Informationen der gambischen Zeitung „The Standard“ bezahlte der Imam 2023 mehrere einschlägige Geldstrafen, die Gerichte verhängt hatten.

So sah es die Justiz als erwiesen an, dass drei Frauen sogenannte Beschneidungen an Mädchen vorgenommen hatten. Kurz darauf erließ der Oberste islamische Rat Gambias eine Fatwa (Richtspruch), in der es heißt, dass „Allah die Beschneidung von Frauen angeordnet“ habe. Von der Praxis betroffen sind laut UN-Angaben landesweit drei von vier Frauen.

Die muslimischen Oberhäupter betonten vor einigen Tagen erneut ihren Standpunkt. Islamrats-Vize Cadi Omar Secka sagte, die Praxis entspreche den religiösen Vorgaben; Frauen sollten sie anwenden. Es gehe um mehr als bloße Tradition. In Gambia bekennen sich mehr als 95 Prozent der gut 2,4 Millionen Einwohner zum Islam.

Allerdings ist die Argumentation der gambischen Islam-Gelehrten in Afrika durchaus umstritten. Als Gegenbeispiel gilt Niger, wo fast ausschließlich Muslime leben. Laut einem UN-Bericht sind dort lediglich zwei Prozent der Mädchen und Frauen im Genitalbereich verstümmelt. Schon seit 2003 werden derlei Eingriffe mit langjährigen Haftstrafen geahndet. Laut einer aktuellen Umfrage sprachen sich 91 Prozent der Jungen und Männer in Niger dafür aus, dass die blutige Praxis aufhören müsse – ebenso wie 82 Prozent der Mädchen und Frauen.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Frauenrechtlerinnen wie Fatou Baldeh äußern such kritisch zur neuen Debatte in Gambia und sehen sie als Rückschritt. Genitalverstümmelung sei eine Grundrechtsverletzung. Dafür verantwortlich sind ausgerechnet andere Frauen, die „Beschneiderinnen“. Nach Informationen der Weltgesundheitsorganisation WHO sind die Opfer in der Regel Mädchen vom Kleinkindalter bis hin zu 15 Jahren. Medizinisch nachvollziehbare Gründe für das Ritual gibt es nicht. Im Gegenteil: Schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen können die Folge sein.

Die WHO unterscheidet vier Arten: von der teilweisen Entfernung der Klitoris bis zum Zunähen der Vaginalöffnung. Weil ohne sterile Messer gearbeitet wird, kommt es oft zu Infektionen und Wundheilungsstörungen. Probleme beim Wasserlassen, Komplikationen bei Geburten sowie Depressionen können langfristige Folgen sein. Weltweit sind nach Unicef-Angaben mehr als 230 Millionen Mädchen und Frauen in 30 Ländern, hauptsächlich in Afrika, aber auch im Nahen Osten und in Asien. Zuletzt häuften sich überdies Berichte über in Europa lebende Mädchen, die in den Ferien zu Verwandten in ihren Herkunftsländern geschickt werden, um eine Beschneidung vornehmen zu lassen.

2012 hatte die UNO-Vollversammlung einstimmig eine Resolution gegen weibliche Genitalverstümmelung verabschiedet. Nationale Gesetze wurden danach aber nicht in jedem Fall zügig angepasst. Erst 2023 wurde die Praxis beispielsweise in Liberia und Benin verboten. Auch gibt es kaum Strafverfolgung, weil die Taten meist im Verborgenen geschehen. Anzeigen erfolgen nur vereinzelt. Menschenrechtler in Afrika setzen daher vor allem auf Aufklärung und persönliche Gespräche, um dem religiösen Ritual ein Ende zu setzen.