Verborgene Geschichte

Nach jahrzehntelanger Verborgenheit bringt das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden ein bedeutendes Kapitel seiner eigenen Geschichte ans Licht: In den nächsten Monaten wird ein Ausschnitt des Wandgemäldes „Lebensfreude“ des weltberühmten Malers Gerhard Richter aus DDR-Zeiten freigelegt. Anlass sei die Ausstellung „VEB Museum – Das Deutsche Hygiene-Museum in der DDR“, sagte Museumsdirektorin Iris Edenheiser am Donnerstag in Dresden. Diese veranschauliche von März bis November die jüngere Vergangenheit des Hauses.

Bei dem Wandgemälde handelt es sich um Richters Diplomarbeit von 1956, die der damals 24-Jährige im Treppenhausfoyer des Hygiene-Museums aufbrachte. Das Frühwerk war 1979 überstrichen worden und danach in Vergessenheit geraten. In den 90er Jahren wurden lediglich zwei Fenster des Bildes freigelegt. Für mehr hatte Richter damals seine Zustimmung verweigert. Bei Sanierungsarbeiten 2004 verschwanden auch diese Bildteile wieder – unter einer weiteren Farbschicht.

„Es ist ein Glücksfall, dass wir die Arbeit von Richter am authentischen Ort längerfristig deutlich machen können“, sagte Edenheiser. Damit werde auch über die Laufzeit der Ausstellung hinaus die Kultur- und Zeitgeschichte des Museums sichtbar.

Für den Leiter des Gerhard Richter Archivs der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Dietmar Elger, ist das Wandbild das zentrale Werk der Dresdner Zeit des heute 91-jährigen Malers. Es gebe bisher nur schwarz-weiß Fotografien dieses Werkes. Insofern bringe die Freilegung auch neue Erkenntnisse zur Farbigkeit, die in die Forschung eingehen würden.

Richters ablehnende Reaktion 1994 und die jetzige „recht positive Zustimmung zu dem Projekt“ erklärte Elger mit dem zeitlichen Abstand von 30 Jahren: Der Künstler befinde sich jetzt einer anderen Situation. Damals habe Richter befürchtet, dass ein solcher Rückblick auf seine DDR-Zeit sein Werk stören würde. „Mit fast 92 Jahren sieht man manches anders und gelassener“, sagte Elger. Deshalb habe Richter, der 1961 aus der DDR geflohen war, der partiellen Freilegung jetzt zugestimmt.

In dem Dresdner Wandgemälde hielt der heute weltberühmte Künstler verschiedene Alltagsszenen fest. „Das Frühstück im Grünen“ des Franzosen Claude Monet (1840-1926) könnte ihn inspiriert haben, hieß es. Das etwa 63 Quadratmeter große Richter-Frühwerk soll nun begleitend zur Sonderausstellung sichtbar werden. In einer Schaurestaurierung werde eine Strandszene im Mittelteil des Bildes freigelegt.

Zwei Experten arbeiten daran, die Restauratorin Susann Förster und der Restaurator Albrecht Körber. Bis zu elf Farbschichten seien abzutragen, sagte Körber. Das Ablösen der letzten Schicht erfolge mit einem speziellen Lösungsmittelgemisch. Damit soll die sensible Original-Malerei vor Beschädigungen geschützt werden. Pro Tag könne ein Restaurator etwa zehn Quadrate in einer Größe von zehn mal zehn Zentimetern freilegen.

Die partielle Freilegung kostet rund 220.000 Euro. Das Hygiene-Museum wird bei dem Projekt von der Wüstenrot Stiftung und der Ernst von Siemens Kunststiftung sowie der Hochschule für Bildende Künste Dresden unterstützt.