Verbandschef: Sozialpolitik in Deutschland funktioniert nicht

Der langjährige Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, hat eine negative Bilanz der Sozialpolitik in der Bundesrepublik gezogen. Deutschland tue sich sehr schwer mit einer solidarischen Bewegung für die Armen, sagte er im Interview der “Welt” (Mittwoch). Das liege zum Teil auch daran, dass Gewerkschaften und Sozialverbände unterschiedliche Ziele verfolgten. Die Gewerkschaften setzten sich zum großen Teil für die arbeitende Bevölkerung ein, während die Sozialverbände sich auf die “wirklich Notleidenden” konzentrieren wollten.

“Ja, die Situation ist beschissen”, sagte der 65-Jährige, der kürzlich in den Ruhestand gegangen ist. “Es gibt derzeit keine sichtbare parteipolitische Mehrheitskonstellation, die linke Politik umsetzen könnte.”

Für die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit machte Schneider auch unterschiedliche Interessen der Betroffenen verantwortlich. Viele Menschen hätten Angst vor einem Abstieg in die Armut; sie definierten sich deshalb als Teil der arbeitenden Mehrheit und lehnten diejenigen ab, denen es schlechter gehe. Dieser psychologische Schutzmechanismus werde von der Union ausgenutzt, die eine Kampagne gegen Hartz-IV-Empfänger gefahren habe.