Italiens Bischofskonferenz ist die größte Europas. Dass sie bei der Erfassung von Missbrauchsfällen eher zögerlich handelt, hat auch im Vatikan für Ärger gesorgt. Nun gab es mahnende Worte bei der Herbstvollversammlung.
Die Spitze der Päpstlichen Kinderschutzkommission hat Italiens Bischöfe zum Fortschreiten bei der Aufarbeitung des klerikalen Missbrauchsskandals aufgefordert. Wie die Bischofskonferenz am Dienstag mitteilte, sprachen Kommissionspräsident Bischof Thibault Verny und sein Sekretär, Bischof Luis Manuel Alí Herrera, bei der Herbstvollversammlung der italienischen Oberhirten in Assisi. Die Bischofskonferenz Italiens ist mit mehr als 200 Mitgliedern die größte in Europa.
Ein Anlass des Auftritts der Spitze der Kinderschutzkommission waren Medienberichte, wonach im Vorjahr nur 81 von 226 befragten Bistümern und sonstigen kirchlichen Einheiten einen Fragebogen der Päpstlichen Kommission zu Missbrauchsfällen ausgefüllt hatten.
Verny lobte Italiens Bischöfe nun trotz dieser Lücken für den in den vergangenen drei Jahren zurückgelegten Weg. Damals hatten sie eine Vereinbarung mit der Päpstlichen Kinderschutzkommission unterzeichnet und sich zur Aufarbeitung und zur Vorbeugung von Missbrauch verpflichtet. Diese Vereinbarung sei seither mit Leben gefüllt worden und habe viele positive Ergebnisse hervorgebracht, so Verny.
Auch wenn es “Missverständnisse und Divergenzen” gebe, seien beide Seiten aufgerufen, einander klug und transparent zu begleiten, sagte Verny. “Es stärkt die Glaubwürdigkeit der Kirche, wenn sie die Lücken im Schutzsystem transparent benennt und professionelle Antworten anbietet, damit unsere Kirche ein sicherer Raum für Jugendliche und Minderjährige ist.”
Verny, der aus Frankreich stammt, erklärte, es gebe in keinem Land den perfekten Weg zum Schutz von Minderjährigen. “Ich bin überzeugt, dass es nicht nur ein einziges Modell gibt. Jede Bischofskonferenz muss die Frage aufgreifen, abwägen und für sich entscheiden – auf der Basis des jeweiligen historischen und kulturellen Kontextes.” Aber alle seien aufgerufen “mutig die Vergangenheit anzuschauen und die Wahrheit in der jeweiligen Situation anzuerkennen”.
Zur Untermauerung seines Appells schilderte Verny ein Detail der jüngsten Begegnung von Papst Leo XIV. mit Missbrauchsopfern aus Belgien. Bei der Gesprächsrunde habe es einen leeren Stuhl gegeben, der symbolisch für ein Missbrauchsopfer stand, der sich das Leben genommen hatte. “In allem, was wir tun, müssen wir diesen leeren Stuhl anschauen. (…) Wir müssen die Opfer und die Überlebenden anerkennen und sie begleiten und ihre Worte hören, so schwer das auch sein mag.”
Herrera bedauerte in seinem Beitrag, dass in Medienberichten der Wille der Kirche in Italien zur Bekämpfung des Missbrauchs insgesamt infrage gestellt worden sei. Die Berichte über die Nichtbeantwortung von Fragebögen dürften nicht dazu führen, dass man übersehe, welche Fortschritte im Kampf gegen Missbrauch gemacht worden seien, betonte Herrera. Die Erfassung der Daten sei nur ein Ausgangspunkt und erlaube noch kein Urteil über das jeweilige Engagement.
Dennoch, so der aus Kolumbien stammende Bischof, müsse die Kirche das Risiko eingehen, das entstehe, wenn sie sich für Transparenz und Verantwortlichkeit entscheide. Nur mit Ernsthaftigkeit sei Glaubwürdigkeit wiederzuerlangen. Dazu gehöre auch die Erfassung der Daten.