US-Reporter Gershkovich wird in Russland vor Gericht gestellt

Der Journalist des “Wall Street Journals” sitzt seit März 2023 wegen Spionagevorwürfen im Gefängnis. Jetzt soll ihm in Jekaterinburg der Prozess gemacht werden.

Die russische Staatsanwaltschaft hat den seit über einem Jahr in einem Moskauer Gefängnis inhaftierten Journalisten Evan Gershkovich jetzt offiziell wegen Spionage angeklagt. Dem 32-jährigen US-Amerikaner, der für die Wirtschaftszeitung “Wall Street Journal” (WSJ)arbeitet, soll in Jekaterinburg der Prozess gemacht werden, teilte das Büro des Generalstaatsanwalts der Russischen Föderation am Donnerstag mit.

Gershkovich war am 29. März 2023 in Jekaterinburg verhaftet worden, wo er über die Wagner-Gruppe recherchierte. Die russischen Behörden werfen ihm Spionage vor, was Gershkovich, das WSJ und die US-Regierung vehement bestreiten. Zur Anklage heißt es jetzt von russischer Seite, die Ermittlungen hätten den Verdacht bestätigt, dass Gershkovich im Auftrag des US-Geheimdienstes CIA geheime Informationen über das Rüstungsunternehmen JSC NPK Uralvagonzavod beschaffen wollte. Bislang war nur unspezifisch von einem ausländischen Geheimdienst als angeblichem Auftraggeber die Rede gewesen. Gershkovich hatte zum Zeitpunkt seiner Verhaftung eine offizielle Akkreditierung als ausländischer Medienvertreter in Russland.

Wenige Tage vor seiner Verhaftung hatten die US-Behörden einen russischen Staatsbürger wegen Spionage für den russischen Auslandsgeheimdienst SWR angeklagt. Die Verhaftung von Gershkovich, dessen Eltern aus der früheren Sowjetunion stammen und Ende der 1970er-Jahre in die USA flohen, war von vielen als Reaktion darauf Anklage bewertet worden. Außerdem gilt Gershkovich als Faustpfand für mögliche Gefangenenaustausche.

Das WSJ und dessen Mutterkonzern Dow Jones haben nach den Ankündigungen der russischen Staatsanwaltschaft noch einmal Gershkovichs sofortige Freilassung gefordert. Die Anklage sei falsch und haltlos und der nächste Schritt hin zu einem Schauprozess, heißt in dem ebenfalls am Donnerstag veröffentlichten Statement von Dow-Jones Vorstandschef Almar Latour und WSJ-Chefredakteurin Emma Tucker. Wann und unter welchen Bedingungen der Prozess gegen Gershkovich stattfinden soll, ist bislang nicht bekannt. Er ist der erste ausländischen Journalist seit Ende des Kalten Krieges, der in Russland inhaftiert wurde. Im Fall einer Verurteilung könnten ihm mehr als 20 Jahre Haft drohen.