US-Bericht: Möglicherweise Hungersnot in Nord-Gaza

Obwohl der anhaltende Krieg keine zuverlässige Datenerhebung zulässt, halten es Experten für “möglich, wenn nicht wahrscheinlich”, dass in Teilen des Gazastreifens eine Hungersnot herrscht.

Im Norden des Gazastreifens herrscht nach einem neuen Bericht möglicherweise eine Hungersnot – obwohl die Nahrungsmittelhilfe sowie Lieferungen auf dem Schwarzmarkt im März und April deutlich zugenommen haben. Es sei “möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich”, dass alle drei maßgeblichen Schwellenwerte für eine Hungersnot (Nahrungsmittelverbrauch, akute Unterernährung und Sterblichkeit) in Nord-Gaza im April erreicht oder überschritten worden seien, warnte das “Famine Early Warning Systems Network” (FEWS NET), am Dienstagabend. Dabei handelt es sich um ein von der US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) finanziertes Frühwarnsystem für Hungersnöte.

Basierend auf “verfügbaren Beweisen und bekannten Informationslücken” kommen die Experten zu der Einschätzung, dass eine Hungersnot mindestens bis Juli anhalten werde, wenn sich Zugang zu und Verteilung von Lebensmitteln nicht grundlegend änderten. Dass “die vollständigen Informationen, die für eine eindeutige Einstufung als Hungersnot erforderlich sind”, wahrscheinlich nicht erhoben werden könnten, solange der Krieg anhalte, sei kein Einzelfall in Konflikten. Fakt sei, dass “Menschen in Gaza an den Folgen des Hungers sterben”. Die akute Unterernährung bei Kindern sei extrem hoch und werde zu irreversiblen physiologischen Auswirkungen führen.

Im Süden des Gazastreifens führe die israelische Militäroffensive zu einer Unterbrechung der Lebensmittelverteilkanäle und damit zu einer Verschlechterung des Zugangs zu Nahrung. Die Experten erwarten, dass die Ernährungssicherheit in Süd-Gaza sich zwischen Mai und Juli von einer Notsituation zur Hungersnot entwickeln werde.

Eine Hungersnot wird laut FEWS NET dann ausgerufen, wenn folgende drei Faktoren zusammenkommen: Mindestens 20 Prozent der Bevölkerung eines Gebiets sind durch unzureichende Nahrungsaufnahme vom Hungertod bedroht, mindestens 30 Prozent der Kinder unter fünf Jahren sind akut unterernährt und haben ein für ihre Größe zu niedriges Gewicht, und mindestens zwei Erwachsene oder vier Kinder pro 10.000 Menschen sterben täglich an den Folgen von Mangelernährung. Die Definition folgt der sogenannten Integrierten Klassifizierung der Ernährungssicherheitsphasen, einer standardisierten Skala zur Ernährungssicherheit. Sie wurde 2004 von verschiedenen UN-, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen erstellt.