Frauen von außerhalb der EU, die in ihrem Herkunftsland aufgrund ihres Geschlechts von Gewalt oder sogenannten Ehrenmorden bedroht sind, können in der Union Schutz beantragen. Das stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Dienstag klar. Demnach kann ihnen der Flüchtlingsstatus zuerkannt werden, wenn sie wegen ihres Frauseins in der Heimat physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt und häuslicher Gewalt, ausgesetzt sind.
Auch bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen könnten sie immer noch Anspruch auf subsidiären Schutz haben – insbesondere wenn sie Gefahr liefen, von Familienangehörigen oder ihrer Gemeinschaft getötet zu werden oder Gewalt zu erleiden, so das Urteil.
Nach Ansicht der Richter ist die EU-Anerkennungsrichtlinie für Flüchtlinge insoweit auf Frauen anwendbar, als sie wegen ihrer “Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe” verfolgt sein können. Kriterien für eine solche Zugehörigkeit sind laut EuGH neben dem Geschlecht auch ihre Identität aufgrund der sozialen, rechtlichen oder religiösen Normen oder Bräuche ihres Landes.
Hintergrund ist der Fall einer muslimschen Türkin kurdischer Herkunft, die nach eigenen Angaben in der Türkei zwangsverheiratet worden war und vor wiederholter Gewalt seitens ihrer Familie nach Bulgarien floh; später begab sie sich nach Deutschland. Ein bulgarisches Gericht bat den EuGH um Auslegung des europäischen Rechts. Weil die EU als solche weder die UN-Frauenrechtskonvention ratifiziert hat noch bislang dem Istanbul-Abkommen über Gewalt gegen Frauen beigetreten ist, gehören beide nicht zu den Verträgen, anhand deren die Anerkennungsrichtlinie ausgelegt werden muss.