Urpferde sind „Ikonen der Evolutionsforschung“

Im Sommer 2023 dachten Wissenschaftler, ein konserviertes junges Urpferd in der Grube Messel gefunden zu haben. Das habe sich als falsch herausgestellt, sagt Torsten Wappler vom Hessischen Landesmuseum Darmstadt in Messel. Heute sei klar, dass es sich um eine trächtige Stute handelt. Das Fossil ist Teil der Ausstellung „Die Kunst der Evolution“ in der Grube Messel bei Darmstadt. Bis 12. Januar 2025 zeigt die Unesco-Weltnaturerbestätte gemeinsam mit dem Landesmuseum Fossilien, Rekonstruktionen und künstlerische Interpretationen des Urpferds.

Die Zähne eines Embryos im Bauch der Stute zeigen die Schwangerschaft, erläutert Wappler. In der Ausstellung sind sie auf einer Zeichnung zu sehen. Denn präpariert ist bislang nur der Kopf des Tieres. Am Rest werde mit Hochdruck gearbeitet, fügt der Leiter der Abteilung Naturgeschichte des Landesmuseums hinzu.

Zum ersten Mal werden Fossilien der bedeutenden Fundstellen Grube Messel, dem Eckfelder Maar in der Eifel und dem Geiseltal bei Halle gemeinsam präsentiert und ergeben „eine Leistungsschau der frühen Urpferde“, sagt der Geschäftsführer der Grube Messel gGmbH und Kurator der Ausstellung, Philipe Havlik. Er hoffe, dass die trächtige Stute im Laufe der Ausstellung komplettiert werden könne.

„Deutschland ist Urpferdland“, sagt Havlik. Nirgends auf der Welt seien mehr Fossilien von Urpferden aus dem Eozän gefunden worden, der Zeit von vor gut 58 Millionen bis etwa 36 Millionen Jahren. Und in Deutschland wiederum nirgends so viele wie in Messel. Erste Zähne der Tiere wurden 1910 in den Ölschieferschichten der Grube gefunden.

Als „die Ikonen der Evolutionsforschung“ bezeichnet die Ausstellungskuratorin Lukardis Wencker die Urpferde. Die Evolution keiner anderen Säugetiergruppe sei so gut durch Fossilien belegt. Sie zeige die Veränderungen im Körperbau der Pferde über Millionen Jahre.

Urpferde waren kaum größer als ein Terrier, streiften durch den Wald und hatten vorne vier Finger und hinten drei Zehen. Die heutigen Pferde sind bekanntlich größer „und laufen auf einem Zehennagel durch Graslandschaften“, erklärt Wencker.

Zu Beginn der Ausstellung fällt eine weiße Rekonstruktion auf. Sie ist dem danebenstehenden Fossil nachempfunden. Wissenschaftler hätten das Skelett quasi auseinandergezogen, um die dreidimensionale Rekonstruktion herstellen zu können, erläutert Havlik. Auf einem Bildschirm schließlich ist zu sehen, wie das skizzierte Tier geschmeidig läuft.

Ein Gedankenexperiment zur weiteren Evolution zeigt in der Ausstellung der sechsminütige Film „Hippospirulina Libica“. Die Berliner Videokünstlerin Elisa Jule Braun zeigt darin, wie und wo das Pferd nach ihrer Vorstellung in sieben Millionen Jahren leben könnte: Ihr Jungtier Nori hat kurze Beine, einen gedrungenen Körper und kann es im ausgewachsenen Zustand auf zwei Tonnen bringen. Es lebt in einer Lagune in Libyen im 32 Grad warmen Wasser und schlurft stundenlang Algen in sein großes Maul.

Genau so werde ein Pferd wohl nicht aussehen, vermutet Havlik. Das Experiment verdeutliche allerdings, wie sich Lebewesen an ihre Umgebung anpassen, um zu überleben.

Die Grube Messel gilt mit Zehntausenden von Funden als weltweit beste Fossilienlagerstätte zur Erforschung des Eozän-Zeitalters. In der Grube mit 800 Metern Durchmesser und 130 Metern Tiefe bilden Fossilien fast die gesamte Flora und Fauna an diesem Ort vor 48 Millionen Jahren ab, als ein Maarvulkan explodierte.

Eine Bürgerinitiative hatte verhindert, dass die ehemalige Ölschiefer-Abbaugrube wie geplant in eine Müllkippe verwandelt wurde. 1995 wurde die Grube Messel als erstes Bodendenkmal in Deutschland zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt.