Unzufrieden mit der Demokratie

Ein Kommentar zur Studie der Uni Leipzig, die das Demokratieproblem in Ostdeutschland aufzeigt.

Rechtspopulisten bekommen mehr und mehr Zulauf und Stimmen bei Wahlen
Rechtspopulisten bekommen mehr und mehr Zulauf und Stimmen bei Wahlenepd-bild/Norbert Neetz

In Ostdeutschland, so eine Studie der Uni Leipzig, haben rechtsextreme Weltbilder weiter Konjunktur. Die Studie attestiert vielen Menschen ein gravierendes Demokratieproblem. Ihnen fehle der Glaube an Selbstwirksamkeit im demokratischen Alltag, sie hätten Sehnsucht nach autoritären Strukturen, ausländer- und judenfeindliche Weltbilder sowie Verschwörungserzählungen seien stark verbreitet.

Was ist im Osten schiefgelaufen?

Rechte Parteien haben weltweit Zulauf, aber als Deutsche tragen wir in besonderem Maße Verantwortung. Was ist also im Osten schiefgelaufen? Erst langsam finden ostdeutsche Lebenswirklichkeiten Interesse in einer breiteren Öffentlichkeit: die Desillusionierung der frühen 1990er-Jahre, das Trauma von Job- und Identitätsverlust, die nie aufgearbeiteten Diktaturerfahrungen. Liedermacher Wolf Biermann nannte die Ostdeutschen „chronisch seelenkrank“ und die Schriftstellerin Anne Rabe hat einen Roman vorgelegt, in dem sie die Gewalterfahrung in der DDR bis in die Kernfamilie hinein beschreibt. Auf einen Ostalgie-Welle zu surfen, ist eben nicht gleichbedeutend mit dem Eintauchen in tradierte gesellschaftliche Strukturen als Hinterlassenschaft zweier Diktaturen.

Kaum Diskurs auf Augenhöhe

Mit diesem Wissen im Hintergrund, sind aktuelle Entwicklungen von deutlich größerer Brisanz als im Westen: Wenn es an sozialer, bildungspolitischer, ja an Infrastruktur überhaupt fehlt, wenn die Krisen das Leben beeinflussen, wenn es kaum noch Diskurs auf Augenhöhe gibt und Politik, Medien und Zivilgesellschaft vor allem mit sich selbst beschäftigt sind und keine Antwort haben auf die gesellschaftliche Polarisierung, dann sind Tür und Tor für Populisten geöffnet.

Wann haben wir verlernt einander zuzuhören, Gemeinsames zu suchen und Trennendes zu akzeptieren? Wer andere in ihrer Menschenwürde angreift, muss mit Gegenrede rechnen. Aber wer der Angst vor Verarmung, vor dem Verlust der eigenen kulturellen Identität nichts entgegenzusetzen hat, als die Beschimpfung „Nazi“, der wird im Osten nichts bewegen.