Unterwegs im Namen des Herrn

Eine Befragung von Pfarrerinnen und Pfarrern im Ruhestand in der Kirche von Westfalen zeigt, dass viele sich weiter engagieren wollen.

Carmen Binnewies, Kathrin Böhlemann (beide Münster), Pfarrer Thomas Groll sowie Peter Böhlemann (beide IAFW  Villigst, von links).
Carmen Binnewies, Kathrin Böhlemann (beide Münster), Pfarrer Thomas Groll sowie Peter Böhlemann (beide IAFW Villigst, von links).EKvW/ Wolfram Scharenberg

Münster/Villigst. „Wenn ich pensioniert bin“, sagte kürzlich ein Pfarrer in einem Pastoralkolleg zur Vorbereitung auf den Ruhestand, „möchte ich die jungen Kolleginnen und Kollegen entlasten, damit sie genug Zeit haben, die Zukunft unserer Kirche zu gestalten“. Das ist in schwierigen Zeiten eine solidarische Perspektive für ein freiwilliges Engagement im Ruhestand.

Bereits jetzt gibt es mehr pensionierte als aktive Pfarrerinnen und Pfarrer in der westfälischen Landeskirche. Das ist ein Schatz und zugleich auch ein großartiges Potenzial. Um den damit verbundenen Chancen besser auf die Spur zu kommen, hat das Institut für Aus-, Fort- und Weiterbildung der westfälischen Landeskirche Anfang 2022 eine Befragung aller rund 1200 Pfarrerinnen und Pfarrer im Ruhestand in der EKvW initiiert.
Wissenschaftlich durchgeführt und ausgewertet wurde sie im Rahmen einer Masterarbeit von Kathrin Böhlemann und betreut von Carmen Binnewies vom Fachbereich Arbeitspsychologie der Universität Münster. Der Rücklauf war hervorragend: 452 Emeriti nahmen an der Befragung teil. Das zeigt ein großes Interesse ihrerseits am Thema und macht die Auswertung umso aussagekräftiger und wertvoller.

Emeriti engagieren sich in hohem Ausmaß

Die wichtigsten Ergebnisse: Die Emeriti engagieren sich in einem hohen Ausmaß. Knapp 80 Prozent sind freiwillig aktiv und das im Schnitt für 26 Stunden im Monat. Sie engagieren sich vielfältig, am meisten im Gottesdienst (24 Prozent), gefolgt von Kasualien (17 Prozent), Bildungsarbeit (13 Prozent) und Seelsorge (10 Prozent). Oft sind sie auch an den Schnittstellen von Kirche und Gesellschaft oder Gemeinde und Kommune aktiv. Sie zeigen sich weitgehend zufrieden mit ihrem Engagement für die Kirche und dessen zeitlichem Umfang. Verbesserungsfähig finden sie den Kontakt zu Kirchenkreisen und Landeskirche.

Die Befragung gibt auch wichtige Hinweise zur weiteren Förderung dieses freiwilligen Engagements im Ruhestand. Als Unterstützung nennen die Befragten an erster Stelle klare Absprachen, geregelte Auslagenerstattung sowie Fort- und Weiterbildungsangebote. Wichtige Motive für ihr Engagement sind die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und die Zugehörigkeit zu einem sozialen Umfeld. Auch das Bedürfnis nach persönlicher Weiterentwicklung, sprich: nach lebenslangem Lernen, spielt eine große Rolle. Bei den Arbeitsbedingungen heben die Befragten den Aspekt der Aufgabenvielfalt hervor.

Wie bei früheren Ehrenamtsbefragungen zeigt sich: Fühlen sich Pfarrerinnen und Pfarrer im Ruhestand mit ihren Motiven ernst genommen und stimmen die Arbeitsbedingungen, dann steigt das Ausmaß ihres Engagements. Bei alldem gewinnen sie an Lebenszufriedenheit.

Gute Nachrichten in schwierigen Zeiten

Das sind gute Nachrichten in schwierigen Zeiten: Wo gewünscht und passend sind die Emeriti gerade auch in Zeiten zunehmender Arbeitsverdichtung gerne einsatzbereit. Allerdings, so Kathrin Böhlemann: „Man darf den Emeriti nicht das Gefühl vermitteln, sie würden immer die gleichen unbeliebten Tätigkeiten ausführen sollen oder nur als lückenfüllender Ersatz für Ausfälle dienen. Stattdessen sollten ihre Kompetenzen wertgeschätzt und gefördert werden (zum Beispiel durch Fortbildungen). Des Weiteren sollten die eigenen Wünsche an die freiwillige Tätigkeit berücksichtigt werden (zum Beispiel durch Wahl des Tätigkeitsgebiets).“

Hier sind auch die Kirchenkreise noch stärker gefragt, das Engagement von Emeriti zu begleiten und zu fördern. So können sie über gemeindliche Tellerränder hinaus helfen, dass das freiwillige Engagement im Ruhestand den aktiven Nachwuchs entlastet, dabei notwendige Strukturveränderungen nicht aufhält, und dass die Emeriti mit ihrer Lust und Kompetenz segensreich zum Zuge kommen – genau da, wo es passt. Wenn das gut läuft, entsteht wie beim klassischen Ehrenamt eine win-win-win-Situation: Es gewinnen die Menschen in den Gemeinden und Einrichtungen, es gewinnt unsere Kirche, und es gewinnen die engagierten Pfarrerinnen und Pfarrer im Ruhestand.