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UNRWA: Unsere Schulen sind keine Brutstätten von Extremismus

Immer wieder werden Vorwürfe laut, das Hilfswerk der UN für Palästinenser sei von Hamas-Terroristen unterwandert und radikalisiere schon die Kinder in den Schulen. Was sagt einer der Leiter der UNRWA dazu?

Der Leiter des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA im Westjordanland, Roland Friedrich, beklagt massive Belastungen des Bildungssektors in Gaza. Rund 600.000 Kinder hätten seit fast zwei Jahren keinen regulären Unterricht, sagte er im Interview der “Welt”. UNRWA-Schulen dienten derzeit ausschließlich als Notunterkünfte, viele seien beschädigt oder zerstört. Immerhin erreichten provisorische Lernangebote inzwischen knapp 50.000 Kinder.

Friedrich verwies auf Fortschritte bei den Reformen der viel kritisierten UN-Organisation. Unter anderem gebe es striktere Kontrollmechanismen, erweiterte Sicherheitsüberprüfungen des Personals und regelmäßige Neutralitätschecks. Die Vorwürfe einer gezielten Unterwanderung durch die Hamas wies er zurück. Auch ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs habe dafür keine Belege gefunden und auch nicht dafür, dass das Hilfswerk gegen humanitäre Grundsätze der Unparteilichkeit und Neutralität verstoßen habe.

Der UNRWA-Chef beklagte zugleich “viel Desinformation” über seine Organisation und speziell über deren Unterricht: “Unsere Schulen – sowohl im Westjordanland als auch im Gazastreifen – sind keine Brutstätten von Extremismus. Ganz im Gegenteil: Alle Inhalte werden auf ihre Vereinbarkeit mit den Unesco-Standards überprüft, und kontroverse Passagen dürfen nicht gelehrt werden.”

Etwa fünf Prozent der Materialien fielen in diese Kategorie, so Friedrich weiter. Darunter seien auch Darstellungen, die Gewalt verherrlichen könnten: “Die palästinensischen Lehrbücher werden derzeit reformiert, auf Druck und mit Unterstützung der Europäischen Union.” UNRWA werde die neuen Materialien danach vollständig übernehmen.

Radikalisierung finde nicht in UNRWA-Schulen statt, fügte er hinzu. Diese böten Schutzräume und Orientierung in einem Umfeld, das von Gewalt und Unsicherheit geprägt sei. Entscheidend sei nun, Bildungsstrukturen zu stabilisieren, damit die Kinder nicht “zum Spielball für weitere Radikalisierung” würden.

Derzeit arbeite man in Gaza vor allem mit “temporären Lernräumen”, berichtete Friedrich weiter. Dafür räumten Familien ihre Notunterkünfte für einige Stunden, um dort Unterricht zu ermöglichen. Außerdem seien mehr als 200.000 Kinder in ein Online-Lernprogramm eingeschrieben. Ob dies wirklich genutzt werden könne, hänge aber stark von der oft unzureichenden Strom- und Internetversorgung ab.

UNRWA unterstützt eigenen Angaben zufolge rund 5,4 Millionen palästinensische Flüchtlinge im Libanon, in Syrien und Jordanien sowie im Westjordanland und in Gaza. Israel wirft der Organisation vor, mehrere der rund 13.000 Mitarbeiter im Gazastreifen seien an den Angriffen der Hamas vom 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen, und hat daher mehrere UNRWA-Schulen geschlossen.