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Universeller Freiheitsdenker

In seiner griechischen Heimat wird er wie ein Volksheld verehrt: Mikis Theodorakis (1925-2021) war Komponist, Widerstandskämpfer und Politiker – und ein vehementer Verfechter von Gerechtigkeit und Demokratie. Als er 2021 im Alter von 96 Jahren in Athen starb, war er längst zum Symbol des Freiheitswillens geworden. Geboren wurde er vor 100 Jahren, am 29. Juli 1925, auf der Insel Chios im Ägäischen Meer.

Sein Leben war vom Widerstand geprägt, zunächst gegen die faschistischen Besatzungstruppen im Zweiten Weltkrieg, später gegen die griechische Militärdiktatur. Während des Bürgerkrieges in seinem Land von 1946 bis 1949 stand er auf der Seite der Kommunisten. Den Kampf für Freiheit gab er nie auf, obwohl er mehrfach in Gefangenschaft war und schwer gefoltert wurde – etwa im berüchtigten Lager auf der Insel Makronisos, wohin Ende der 40er Jahre linke politische Gefangene deportiert wurden. Während der Militärdiktatur zwischen 1967 und 1974 war seine Musik verboten.

Leben und Werk gehören bei Theodorakis eng zusammen. „Das Komponieren war für mich ein Ausweg. So wie ein Gestrandeter im Glauben an seine Rettung eine Flaschenpost ins Meer wirft. Nicht mehr und nicht weniger“, sagte er einmal.

Das umfangreiche musikalische Werk des 1,90 Meter großen Griechen umfasst Symphonien, Kammermusik und Kantaten, Oratorien und Opern, Bühnen- und Filmmusik sowie mehr als 1.000 Lieder und Hymnen. Seine musikalische Ausbildung erhielt er in Athen und Paris, unter anderem bei Olivier Messiaen. Schon bald wurde ihm eine außergewöhnliche melodische Begabung nachgesagt.

In seinen Werken spiegelt sich Lebensfreude, aber auch Trauer und Zorn. Theodorakis wollte, dass sich das Publikum in seinen Kompositionen wiederfindet: „Ich schreibe nicht für Experten, nicht für Fachleute und Spezialisten.“

Eines seiner bekanntesten Werke ist das revolutionäre Oratorium „Canto General“ („Der große Gesang“) nach Texten des chilenischen Dichters Pablo Neruda (1904-1973). In dem chorsinfonischen Werk mischte Theodorakis Volksweisen und die osmanische Musiktradition mit besonderen Tanzrhythmen.

Der Dirigent und Leiter der Internationalen Bachakademie Stuttgart, Hans-Christoph Rademann, bezeichnet „Canto General“ als „ein Gipfelwerk von Theodorakis“. Rademann hat es vor kurzem in Stuttgart aufgeführt – mit großem Erfolg.

Das Publikum sei „tief bewegt und ergriffen gewesen“, sagte der Dirigent dem Evangelischen Pressedienst (epd). Einige der Gäste hätten von einem Gänsehaut-Moment gesprochen. Schon Tage zuvor seien die Tickets ausverkauft gewesen.

„Theodorakis war ein Musiker, der wie kein anderer in der Lage war, hohe Kunst, politische Geradlinigkeit und Botschaften an ein großes Publikum zu vermitteln“, sagt Rademann.„ Werke wie der “Canto General„ werden nach Ansicht des Dirigenten “immer ein Idol bleiben”. Diese Musik drücke große Gefühle aus und sei in der Lage, das Publikum quasi zu hypnotisieren.

„Er hat die Menschen tief im Herzen erreicht“, sagt Rademann, der den griechischen Komponisten mehrfach getroffen hat. Theodorakis sei „eine kraftvolle, charismatische Persönlichkeit“ gewesen – „leidenschaftlich, freundlich und sehr nahbar“.

Weltberühmt wurde „Mikis“ – wie er in seiner Heimat oft genannt wird – 1964 mit seiner Sirtaki zum Film „Alexis Sorbas“. Bis heute gilt der beliebte Tanz als das „griechische Lied“ schlechthin. Er selbst war über den Ohrwurm nur begrenzt glücklich: Wie ein Stein habe „Sorbas“ an ihm gehangen, hat er einmal gesagt. Die Popularität führte dazu, dass er zu oft auf dieses eine Stück reduziert wurde.

Einer seiner Weggefährten, der Pianist und Komponist Gerhard Folkerts aus Wedel bei Hamburg, betont die besondere Vitalität der Musik von Theodorakis: In dessen Kunst sei ein Aufbegehren. Er habe eine ganz eigene Direktheit, Dinge zu beschreiben. „Wer das Glück hatte, Theodorakis zu begegnen, spürte seine Menschenfreundlichkeit, seine Gesprächsbereitschaft, seine Herzlichkeit, empfand die Aura dieses Mannes“, sagt Folkerts. Zudem habe er stets den Dialog gesucht.

Theodorakis selbst resümierte einmal sein Wirken: „Ich musste einsehen, dass meine Ideale nicht durchzusetzen sind.“ Aber er vertraue „dem alten griechischen Prinzip der Demokratie“. Es gebe „nur den Kampf um Demokratie und Freiheit, nichts weiter“.