Unglück in Glückstadt

2020 soll die Abschiebehafteinrichtung der Bundesländer in Glückstadt in Betrieb gehen. Der Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf befürchtet das Schlimmste für Menschen, die Asyl in Deutschland suchen.

Die Synode des Kirchenkreises Rantzau-Münsterdorf tagte in der Glückstädter Kirche.
Die Synode des Kirchenkreises Rantzau-Münsterdorf tagte in der Glückstädter Kirche.Lisa Scheide

Glückstadt/Elmshorn. Von „Inhaftierten“ spricht Thomas Bergemann, Propst im Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf. Andere sprechen von Betroffenen. Es geht um Menschen, die aus Deutschland abgeschoben werden sollen. Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg hatten sich 2018 auf die Errichtung einer gemeinsamen Abschiebehafteinrichtung in Glückstadt geeinigt. Die Innenminister der drei Länder planen, dass die Einrichtung 2020 in Betrieb gehen soll. 60 Plätze sollen zur Verfügung stehen, je 20 pro Bundesland.

60 Plätze hinter sechs Meter hohen Mauern in dem ehemaligen Kasernengebäude und das, obwohl keine Straftat vorliegt. „Es handelt sich um eine Verwaltungshaft“, betont Beate Raudies, Präses der Synode Rantzau-Münsterdorf. „Allein der Satz: ‚Ich werde Deutschland nicht verlassen‘ genügt den Behörden, um eine Haft zu veranlassen“, ergänzt Pastorin Birgit Dušková, zuständig für Flüchtlingsarbeit im Kirchenkreis. Dass sie sich weigern könnten, das Land zu verlassen, sei Grund genug für den Freiheitsentzug.

Tagung setzt Zeichen der Solidarität

Die Synode des Kirchenkreises tagte zur geplanten Abschiebehaftanstalt in Glückstadt. 70 von 77 Synodenmitgliedern informierten sich über die Pläne für die Einrichtung und entwickelten eine Position. Auch Glückstadts Bürgermeisterin, Vertreter der Polizeigewerkschaft und Diakonie-Pastor Heiko Naß kamen. „Es war eine intensive und ertragreiche Tagung“, sagt Propst Thomas Bergemann. „Wir wollten damit ein Zeichen der Solidarität setzen“, sagt Beate Raudies. Die Hafteinrichtung betreffe nicht allein die Kirchengemeinde Glückstadt, sondern auch den Kirchenkreis sowie die Nordkirche.

Kirche und Diakonie lehnen die Abschiebehaft generell ab: „Freiheitsentzug für Menschen, die sich keiner Straftat schuldig gemacht haben, ist verfassungsrechtlich bedenklich und unverhältnismäßig“, heißt es in einer Stellungnahme der Nordkirche. „Es gilt zu fragen, wie wir als Kirche dazu beitragen können, dass bei der Wiedereinführung der Abschiebehaft in Schleswig-Holstein der Anspruch auf einen humanitären Umgang – soweit es möglich ist – gewährleistet werden kann“, schrieb Bischof Gothart Magaard an die Synodalen.

Synode rechnet mit zahlreichen Problemen

„Die für die Abschiebehaft in Glückstadt vorgesehenen Vollzugsbeamten werden Berufsanfänger sein, deren Ausbildung erst im Herbst 2019 beginnen wird“, sagt Propst Bergemann. „Es werden Sozialarbeiter und Psychologen fehlen. Im Alltag werden Sprachhindernisse zu massiven Belastungen führen. Die flächendeckende Hoffnungslosigkeit der ‚Inhaftierten‘ wird Sicherungsmaßnahmen notwendig machen.“

„Wir können nicht ausschließen, dass es zu Selbstmordversuchen, Ausbrüchen und Gewalt kommen wird“, sagt auch Beate Raudies. Auch die Sorge, dass entgegen allen politischen Beteuerungen auch Familien mit Kindern hinter den Mauern ausharren müssen, bestehe.

Fonds für Rechtsbeistand könnte Abhilfe schaffen

Einen runden Tisch für Glückstadt will der Kirchenkreis initiieren: Stadt, Kirchengemeinde, Vertreter der Einrichtung und der Vollzugsbeamten, sie sollen nach Wunsch des Kirchenkreises regelmäßig zusammensitzen. „Sie sollen sich kennen und einander vertrauen. Um, wenn Probleme kommen, miteinander sprechen zu können“, betont Beate Raudies.

Aber nicht nur um Probleme geht es, sondern auch um Rechte. „Ich würde mir wünschen, dass ein Rechtsmittelfonds entsteht“, sagt Birgit Dušková. „Die Menschen können sich zwar an ihre Anwälte wenden, aber viele haben sich davon schon verabschiedet, da sie befürchten, dass sie im Falle einer Abschiebung auf der Rechnung sitzen bleiben.“ Durch den Fonds könne der Rechtsbeistand weiter gewährleistet werden. Etwa 50 Prozent der Anträge zur Abschiebung, das zeige die Statistik, seien rechtswidrig. 30 Tage können Menschen in einer Abschiebehaft festgehalten werden, danach wird ihr Antrag geprüft. Das Hangeln von Verlängerung zur Verlängerung kann mehr als eineinhalb Jahre dauern.