Ungewöhnliche Arte-Dokumentation über Immanuel Kant

Filme gibt es über den Philosophen einige. Aus Anlass seines 300. Geburtstags wagt eine Arte-Dokumentation ein filmisches Experiment zu Immanuel Kant.

Rund 250 Jahre ist es her, dass Immanuel Kant die Philosophie revolutioniert hat: Sein „kategorischer Imperativ“ prägt bis heute westliches Denken über Freiheit, Toleranz und Vernunft. Filme gibt es über den meistzitierten Philosophen einige. Aus Anlass seines 300. Geburtstags am 22. April unternimmt die Arte-ZDF-Dokumentation „Kant – Das Experiment der Freiheit“ am 17. April um 22.15 Uhr einen ungewöhnlichen Film-Versuch zu Immanuel Kant. Im Wechselspiel der Gedanken des alternden Kant und den Ansichten dreier heutiger Philosophinnen und Philosophen werden darin Kernthemen und Irrwege seiner Philosophie und seines Lebens anschaulich aufgezeigt.

Umgesetzt wurde die 54-minütige Doku vom Kieler Autor, Regisseur und Produzenten Wilfried Hauke – mit kritischem Augenzwinkern. Er zeigt und begleitet den Philosophen in dessen Geburtsstadt und Wirkungsstätte Königsberg. Kant wird als alt gewordener, von den Menschen enttäuschter Spaziergänger gezeigt: Wenige haben ihn verstanden, niemand scheint seine Ideen zu befolgen. Kant selbst hat sich in der zeitgenössischen Debatte des 18. Jahrhunderts über Rassismus und Kolonialismus verrannt und sieht sich und seine Ideen missverstanden. Kant ist umstritten, wird als „kalte Denkmaschine“, aber auch als „alter, weiser Mann“ gesehen.

Dokumentarisch und mit ausgestalteten Spielszenen umspannt die Doku einen dramatischen Bilder- und Geschichtenbogen: von der Hansestadt Königsberg im 18. Jahrhundert bis zum heutigen russischen Kaliningrad, als das die Stadt nach der völligen Zerstörung am Ende des Zweiten Weltkriegs wieder neu aufgebaut wurde. International renommierte Philosophen wie Corine Pelluchon von der Pariser Universität Gustave Eiffel, Susan Neiman, Amerikanerin und Direktorin des Potsdamer Einstein-Forums, und Marcus Willaschek von der Frankfurter Goethe-Universität erörtern dabei Themen wie Vernunft, Freiheit, Krieg, Ausbeutung und Rassismus.

Es fiel Hauke nach eigenen Worten leicht, die Wissenschaftler für seinen Film zu gewinnen, weil sie sein Konzept und der Arbeitstitel „Experiment der Freiheit“ überzeugt habe: „Die Experten haben gespürt, dass es nicht um ein konventionelles BioPic ging, sondern um uns alle heute im Umgang mit Werten und Idealen der Aufklärung“, sagt Hauke. Außerdem habe es bislang keinen Film über Kant und seine Gedanken gegeben – „das ‚Experiment‘ wollten die Experten sich nicht entgehen lassen“, erklärt der Regisseur.

Wesentlich schwerer war es laut Hauke, Schauspieler wie Wolfgang Riehm (alter Kant) und Daniel Arthur Fischer (junger Kant) zu finden. Denn mit jeder Besetzung lege man sich auf eine Interpretation fest, zumal es wenig Faktisches über Kants Leben gebe.

Mit „Kant – Das Experiment der Freiheit“ weckt Hauke auf so unterhaltsame wie nachdenkliche Weise eine vergangene Welt filmisch wieder auf. Ihn habe an diesem Filmprojekt beeindruckt, „dass alles menschliche Dasein oder mit Kant gesprochen – die Natur des Menschen – voller Paradoxien ist“: widersprüchlich, zwischen Gut und Böse, Ideal und Realität, Trieb und Geist.

Der erfahrene Filmemacher habe zudem gelernt: Den perfekten Menschen gibt es nicht. „Die Welt kann nur weiter existieren, wenn wir menschlich bleiben – und dazu gehören Toleranz und Empathie für das Andere, immer wieder Regeln hinterfragen und gemeinsam aushandeln – ohne Waffen“, sagt Hauke. Im Abspann erklingt eine unbekannte und interessante Cover-Version von „Knockin‘ On Heaven’s Door“. Diese Fassung stammt von Haukes Filmkomponisten George Kochbeck, gesungen von seiner Tochter Emmi Kochbeck.