Unermüdlich ökumenisch

Die Ökumene ist das Lebensthema von Konrad Raiser. Und so verwundert es kaum, dass der frühere Generalsekretär des Weltkirchenrates noch vieles zum Thema zu sagen und zu schreiben hat

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Er zählt zu den profiliertesten protestantischen Ökumenikern: Wie wenige andere konnte Konrad Raiser die praktische Arbeit im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) und das akademisch-theologische Nachdenken über die Einheit der Kirchen miteinander verbinden. Auch im Ruhestand meldet er sich mit Büchern und Vorträgen zu Wort. In Berlin lebt Raiser, der am 25. Januar 80 Jahre alt wird, mit seiner Frau Elisabeth, die 2003 evangelische Präsidentin des ersten Ökumenischen Kirchentags in der Bundeshauptstadt war.

Bücher und Vorträge auch im Ruhestand

Geboren wurde er in Magdeburg als Sohn des Juristen Ludwig Raiser, eines erklärten Gegners der Nationalsozialisten, der in den 50er und 60er Jahren eine wichtige Rolle in der deutschen Wissenschaft spielte und sich ebenso in der evangelischen Kirche engagierte. Konrad Raiser entschied sich für das Studium der Evangelischen Theologie – in Tübingen, Bethel, Heidelberg und Zürich – und war von 1963 bis 1965 Vikar der lutherischen Württembergischen Landeskirche. Nach weiteren Studien in Harvard und Tübingen promovierte er 1970 mit einer Dissertation über die Sozialphilosophie von George Herbert Mead. Zu dieser Zeit war er bereits Studiensekretär der ÖRK-Kommission für Glauben und Kirchenverfassung in Genf, in der auch die katholische Kirche mitarbeitet. 1973 wurde er stellvertretender Generalsekretär unter Philipp Potter.
Mit der Berufung zum Professor für Systematische Theologie an die Evangelisch-Theologische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum und Direktor des Ökumenischen Instituts der Fakultät 1983 konnte Raiser seine theologische Reflexion der ökumenischen Themen vertiefen. Die Wahl zum ÖRK-Generalsekretär als Nachfolger von Emilio Cas­tro 1992 hatte angesichts dessen eine innere Logik. In seiner elfjährigen Amtszeit an der Spitze des Weltkirchenrats waren seine Kenntnisse ebenso gefragt wie sein diplomatisches Geschick, denn der Zusammenschluss von protestantischen, anglikanischen und orthodoxen Kirchen war damals wie auch heute noch ein fragiles Gebilde, das zudem durch Finanzprobleme in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt ist.
Ein Dauerthema war der Konflikt zwischen den Protestanten und Orthodoxen, die nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und der staatlichen Repression um ein neues Selbstverständnis rangen. Während das Patriarchat von Konstantinopel der ökumenischen Bewegung von Anfang an offen und positiv gegenüberstand, taten sich vor allem die russische, bulgarische und georgische Orthodoxie schwer mit den „liberalistischen“ Tendenzen der westlichen Kirchen, die ihrerseits einen Nord-Süd-Konflikt haben, der sich etwa im Umgang mit Homosexualität manifestiert.
Zu den bleibenden Verdiensten Raisers gehört es, angesichts dieser Zerreißproben ein Auseinanderbrechen des ÖRK verhindert zu haben. Mit der von ihm angeregten Sonderkommission zur orthodoxen Mitarbeit im Weltkirchenrat konnten die Spannungen überwunden und Einseitigkeiten korrigiert werden. Ein anderer wichtiger Impuls Raisers war die Gründung des „Globalen Christlichen Forums“, bei dem auch Kirchen und Bewegungen mitarbeiten, die nicht dem ÖRK angehören, vor allem Evangelikale und Pfingstler einerseits, die vor allem in Afrika, Asien und Amerika stetig wachsen, und andererseits die katholische Kirche. Raisers Nachfolger, der kenianische Methodist Samuel Kobia (bis 2009) und der norwegische Lutheraner Olav Fykse Tveit, konnten ihrerseits wenig dazu beitragen, das Profil des Weltkirchenrats zu schärfen.

Interreligiöser Dialog ist zunehmend wichtig

„Die Ökumene ist für mich zum Zentrum meiner eigenen theologischen und kirchlichen Arbeit geworden“, sagt Raiser über sich selbst, der dies auch mit einer „zweiten Bekehrung“ verglichen hat. Dabei sieht er die christliche Ökumene längst in einer Übergangssituation zu einer „Makro-Ökumene“ der Religionen. „Der interreligiöse Dialog ist zu einer zentralen ökumenischen Herausforderung geworden, und er muss begleitet werden von einem internen Dialog über das Selbstverständnis der christlichen Kirchen in einer religiös pluralen Welt“, betonte er in einem Vortrag. Vorherrschend in den Kirchen sieht er aber noch die Angst davor, die entscheidenden Schritte zu tun.