UN und Europarat bemängeln britischen Abschiebe-Pakt mit Ruanda

Großbritannien will Migranten ohne Prüfung von Asylgründen nach Ruanda schaffen – und erklärt den Staat per Gesetz für sicher. Menschenrechtler sind alarmiert. Dabei findet die Idee auch in Deutschland Sympathien.

Vertreter der Vereinten Nationen und des Europarates haben Großbritanniens Abschiebe-Pakt mit Ruanda kritisiert. UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk und der Chef des Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Filippo Grandi, warnten am Dienstag in Genf vor einem besorgniserregenden Präzedenzfall. Die Verantwortung für Flüchtlingsschutz auszulagern, untergrabe die internationale Zusammenarbeit. Der Menschenrechtskommissar des Europarates in Straßburg, Michael O’Flaherty, sprach von einer Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit. Alle drei riefen die britische Regierung auf, das am Dienstag vom Parlament verabschiedete Gesetz zu überdenken.

Die neue Regelung erklärt Ruanda zum sicheren Drittstaat, so dass Großbritannien irregulär eingereiste Migranten in das ostafrikanische Land abschieben kann, ohne ihnen Gelegenheit zu einem Asylantrag zu geben. Die rechtlichen Möglichkeiten, Widerspruch einzulegen, sind begrenzt. Damit das Gesetz in Kraft tritt, muss König Charles III. es noch unterzeichnen.

UN-Flüchtlingskommissar Grandi sprach von einer Abkehr Großbritanniens von seiner langen Tradition, Menschen in Not Zuflucht zu gewähren, und von einem Bruch der Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen. Die Regierung solle stattdessen Fluchtursachen bekämpfen und die Verantwortung für Schutzsuchende mit europäischen und internationalen Partnern teilen.

Der Menschenrechtskommissar der Vereinten Nationen, Türk, bewertete das Gesetz als Einschränkung der Rechtsstaatlichkeit. So seien britische Gerichte künftig daran gehindert, Abschiebe-Entscheidungen zu überprüfen. Auch werde Betroffenen der Zugang zu Rechtsmitteln und der Schutz durch nationale und internationale Menschenrechte verwehrt.

Ähnlich äußerte sich der Menschenrechtskommissar des Europarates und frühere Leiter der EU-Grundrechteagentur, O’Flaherty. Er beanstandete zudem, dass sich Entscheidungsträger der britischen Justiz nach dem neuen Gesetz nicht mehr auf Entscheidungen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs stützen können. Auch das von der Menschenrechtskonvention garantierte Recht auf eine individuelle Petition werde untergraben.

Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl in Frankfurt kritisierte das Gesetz als eindeutig rechtswidrig. Das Abkommen mit Ruanda werde in der Praxis absehbar nicht funktionieren. Es sei “erschreckend, dass auch deutsche Politiker und Politikerinnen diesem zerstörerischen Plan nacheifern und die Illusion nähren, durch solche Modelle ließe sich Flucht verhindern”, erklärte die Organisation.

Die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith, verwies darauf, der britische Supreme Court habe erst im November die konkrete Gefahr festgestellt, dass Flüchtlinge von Ruanda aus in ihre Heimatländer und damit in die Verfolgung abgeschoben werden könnten.