30 Jahre nach Gründung der Sozialen Pflegeversicherung schwindet das Vertrauen der Bevölkerung in die Pflege – das zeigt jetzt eine Umfrage. Den Menschen ist nicht klar, wie es weitergehen soll.
Die Bundesbürger verlieren einer Umfrage zufolge immer mehr das Vertrauen ins deutsche Pflegesystem. Knapp zwei Drittel bewerten die Versorgung derzeit als nicht oder gar nicht gut. 46 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung innerhalb der nächsten zehn Jahre. Dabei wird die Finanzierung als größtes Problem genannt. Fast 90 Prozent fordern, dass die Pflege “für alle bezahlbar” werden müsse. Das sind zentrale Ergebnisse einer am Dienstag in Hamburg veröffentlichten Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach für die DAK-Gesundheit.
DAK-Vorstandschef Andreas Storm sieht das Pflegesystem an einem “Kipppunkt” und fordert eine nachhaltige Finanzierungsreform sowie eine zukunftsfeste Pflegeinfrastruktur. “Viele Menschen nehmen das System als schlecht, ungerecht und überfordernd wahr.”
Für die Umfrage befragten die Meinungsforscher über 4.400 Menschen zwischen 16 und 75 Jahren. Demnach sehen 72 Prozent die Finanzierung als nicht gesichert an. Die Mehrheit sieht zudem die Versorgung gefährdet: 62 Prozent empfinden sie als nicht gut oder gar nicht gut, 46 Prozent gehen davon aus, dass sich die Situation in den kommenden zehn Jahren weiter verschlechtert.
70 Prozent der Befragten nennen an erster Stelle hohe Kosten für Pflegebedürftige und ihre Familien bei stationärer Pflege. Es folgen mit 68 Prozent Personalmangel bei Pflegekräften. 64 Prozent haben Zweifel, im Fall einer Pflegebedürftigkeit in ihrer Region eine gute qualitative Unterstützung zu erhalten.
Für 73 Prozent ist die Deckelung der Pflegeheimplatzkosten wichtig. Die große Mehrheit (83 Prozent) erlebt es als ungerecht, nach langjähriger Einzahlung bei Pflegebedarf nicht ausreichend abgesichert zu sein. Knapp drei Viertel setzen Pflege mit einem Armutsrisiko für Pflegebedürftige und ihre Familien gleich.
Allensbach-Chefin Renate Köcher erklärte: “Pflege ist Nahthema.” Jeder Zweite habe Angehörige, Freunde oder Nachbarn, die aktuell oder in den vergangenen zehn Jahren gepflegt worden seien.
Acht von zehn Befragten gehen davon aus, dass viele Menschen mit der Pflege ihrer Angehörigen überfordert sind. Pflegende Angehörige erbrächten enorme Leistungen, ohne die der Staat bei der Pflege havarieren würde, ergänzte Köcher. Umso wichtiger sei es, neben diesen privaten Strukturen intakte gesellschaftliche Strukturen zu haben.
Um die Finanzierung der Pflegeversicherung zukunftssicher zu machen, sieht die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger den Staat in der Pflicht: 56 Prozent finden, es sollten staatliche Zuschüsse oder Steuermittel eingesetzt werden. 47 Prozent halten eine Beitragserhöhung für vermögende oder gut verdienende Menschen für den richtigen Weg. Fast ebenso viele (46 Prozent) finden, Vermögende sollten im Pflegefall stärker an den Pflegekosten beteiligt werden.
Allerdings spricht sich die Mehrheit bei den Heimkosten klar für Vermögensschutz aus: Den Einsatz des eigenen Vermögens, um Kosten für stationäre Pflege zu decken, halten nur 27 Prozent für richtig. Fast zwei Drittel sind dagegen, das eigene Haus im Bedarfsfall verkaufen zu müssen. Ein klares Meinungsbild gibt es auch zu Überlegungen, eine verpflichtende Pflegezusatzversicherung einzuführen: Nur eine Minderheit (21 Prozent) befürwortet dies. Eine stärkere Förderung für die private Vorsorge finden hingegen 41 Prozent sinnvoll.