Kaum ein Land kennt Zahl schwerer Straftäter aus Afghanistan

Die Ampelregierung hat angekündigt, schwere Straftäter wieder nach Afghanistan und Syrien abzuschieben. Doch wie viele Gewalttäter sich aus diesen Ländern hierzulande befinden, kann niemand sagen.

Schwere Straftäter sollen auch nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden
Schwere Straftäter sollen auch nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werdenImago / Zoonar

In der politischen Diskussion um Abschiebungen schwerer Straftäter nach Afghanistan und Syrien ist unklar, um wie viele Fälle es dabei bundesweit überhaupt geht. In einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den zuständigen Ministerien konnte kaum ein Land Angaben dazu machen. Zwar nannten die Behörden in der Regel die Gesamtzahl afghanischer und syrischer Straftäter. Eine Statistik darüber, wie viele schwere Straftäter darunter sind, um die es in der Debatte geht, gibt es allerdings nicht.

Dazu lägen keine Daten vor, hieß es etwa aus dem bayerischen Justizministerium. Auch Nordrhein-Westfalen konnte keine detaillierten Angaben zu den Delikten machen, die zur Verurteilung führten. Die Erfassung bedürfte einer händischen Auswertung und sei in kurzer Frist nicht darstellbar, teilte das niedersächsische Justizministerium mit. Aus Rheinland-Pfalz hieß es zusätzlich, es sei unklar, was unter „schweren Straftätern“ zu verstehen sei. In Hamburg, dessen Innensenator Andy Grote (SPD) die Debatte über Abschiebungen nach Afghanistan mit angestoßen hatte, stellte die Justizbehörde detaillierte Angaben für die nächste Woche in Aussicht.

Nur zwei Bundesländer geben Auskunft

Einzig Baden-Württemberg und Bremen gaben konkretere Auskunft. In Stuttgart werden demnach die Fälle von 41 Afghanen und 4 Syrern in den „Sonderstäben Gefährliche Ausländer“ bearbeitet. Das Justizressort nannte zwei konkrete Fälle, die zur aktuellen Diskussion passen. Das Land würde gern einen Afghanen, der wegen Unterstützung der Terrormiliz „Islamischer Staat“ verurteilt wurde, und einen weiteren Afghanen, der wegen Mittäterschaft einer Gruppenvergewaltigung im Jahr 2019 zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, abschieben, was derzeit nicht möglich ist.

In Bremen sitzen nach Angaben der dortigen Innenbehörde fünf Straf- beziehungsweise Gewalttäter aus Afghanistan in Haft, sechs aus Syrien. Gründe seien unter anderem besonders schwere Eigentumsdelikte wie räuberische Erpressung, Totschlag, schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, schwere Körperverletzung und Brandstiftung.

Debatte um Abschiebungen nach Afghanistan aufgeflammt

Nach der Gewalttat eines mutmaßlichen Islamisten aus Afghanistan in Mannheim, bei der ein Polizist getötet wurde, ist die Debatte über die Wiederaufnahme von Abschiebungen nach Afghanistan zumindest von Personen, die ein Sicherheitsrisiko darstellen, neu entbrannt. Deutschland hatte Abschiebungen dorthin nach dem Wiedererstarken der radikalislamischen Taliban 2021 ausgesetzt.

Faeser prüft Abschiebungen

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) prüft, ob und wie schwere Straftäter – gemeint sind laut Ministerium Gewalttäter – und Gefährder nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden können. Nach Angaben eines Sprechers dauert die Prüfung bereits geraume Zeit an, mindestens seit der tödlichen Messerattacke in einem Regionalzug bei Brokstedt vor rund anderthalb Jahren. Auch das Bundesministerium konnte aber zur Zahl der Fälle, um die es bei einer Wiederaufnahme der Abschiebungen nach Afghanistan ginge, keine Angaben machen und verwies dabei auf die Zuständigkeit der Länder.

Im Bereich der Gefährder geht das Bundesinnenministerium nach eigenen Angaben derzeit von insgesamt 480 Fällen aus. Etwa die Hälfte davon sei im Ausland oder in Haft. Die Fälle beziehen sich auf alle Staatsbürgerschaften, nach Angaben des Innenministeriums zählen auch Deutsche zu diesem Kreis.

Insgesamt befinden sich bundesweit nach Angaben der Länder mindestens rund 1.100 Syrer und mehr als 550 Afghanen in Haft, wobei offen blieb, wie viele davon wegen schwerer Gewalttaten verurteilt wurden. Die Zahlen umfassen nicht alle Bundesländer. Hessen, Sachsen und Thüringen gaben bis Freitagmorgen keine Rückmeldung.