Ukraine-Krieg: Kirche und Diakonie helfen Geflüchteten weiterhin
Zwei Jahre ist der Großangriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar her. Kirche und Diakonie haben vielen Ukrainerinnen und Ukrainern geholfen, die fliehen mussten. Das tun sie auch weiterhin.
Zu Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine waren sie rund um die Uhr auf dem Berliner Hauptbahnhof: Freiwillige, die Stadtmission, Unzählige, die sich spontan ein Herz fassten. Gemeindekirchenräte beschlossen kurzerhand, aus Gemeindesälen und Pfarrhäusern Notunterkünfte zu machen. Menschen spendeten. Diakonie und Landeskirche schufen mit Katastrophenhilfe und Flüchtlingsfonds eine finanzielle Basis für die viel fältigen Hilfestellungen für ankommende geflüchtete Menschen.
Zwei Jahre ist das her. Zwei Jahre Krieg, zwei Jahre selbstbewusste Widerstandskraft, aber auch Tod und Zerstörung, Not und Verzweiflung. Die Wirklichkeit und die Auswirkungen der russischen Vollinvasion zu sehen und zu begreifen ist für viele beschwerlich und schmerzhaft zugleich.
Krieg mit den Augen der Geflüchteten sehen
Doch mit welchen Augen blicken Menschen aus der Ukraine auf diesen 24. Februar 2022, der ihr Leben so radikal und bitter verändert hat? Mit welchem Blick schaut eine junge Ukrainerin auf dieses Datum, die zur falschen Zeit am falschen Ort war und nun lebenslang mit einer Beinprothese leben muss? Wie schaut ein Soldat darauf, der sich im letzten Moment vor einem tödlichen Geschoss wegducken konnte und – welche Gnade – am Leben blieb? Was geht in der Mutter vor, die nach Deutschland floh, die heimatlos und fremd wieder Boden unter den Füßen sucht? Ich wage kaum, tiefer in diese Schicksale zu schauen. Ringe um Fragen, um Worte, um eine Haltung.
Mehr als 1,1 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer
, 80 Prozent davon in privaten Wohnungen und Häusern, viele haben Arbeit gefunden, Kinder besuchen Kindergärten und Schulen. Während in der Ukraine der Lärm der Sirenen und der Raketeneinschläge anhält, ist es um die Ukrainehilfe von Kirche und Diakonie ruhiger geworden. Und dennoch geschieht sie, ist vor Ort erlebbar, ist professionalisierter, etablierter, besser vernetzt mit den Ämtern und Einrichtungen der Länder, Städte und Kommunen.
Hochengagierte Menschen helfen unaufhaltsam und beharrlich beim Ankommen, geben Orientierung im Alltag. Ob im Café International in Niesky, beim Kochen im Neutrebbiner Gemeindehaus oder beim Aufbau ehrenamtlicher Begleitstrukturen in der Kirchengemeinde Berlin-Siemensstadt – es sind oft die sprachfördernden Begegnungen, die an Bedeutung nicht verloren haben, ebenso wie die Vermittlung sachkundiger Hilfe oder das Organisieren von Hilfstransporten in das Kriegsgebiet.
Ukrainisch-orthodoxe Gemeinde feiert Gottesdienst in der St. Thomaskirche
Oft sind es Ukrainerinnen selbst, die ehrenamtlich oder über diakonische Träger beruflich mit Geflüchteten arbeiten. Seit Ostern vorigen Jahres feiert beispielsweise eine ukrainisch-orthodoxe Gemeinde in der St. Thomaskirche in Berlin-Kreuzberg regelmäßig die Messe. Hier finden sie eine geistliche Heimat, einen Ort für das Heilige in einer unheilvollen Welt. Aus christlicher Gastfreundschaft ergeben sich viele Berührungspunkte. Evangelische und römisch-katholische Christen leben mit ihren orthodoxen Geschwistern ökumenische Verbundenheit. Brot wird miteinander geteilt. Evangelische Christen lassen sich von der spirituellen Kraft der orthodoxen Liturgie berühren. Gleichzeitig erblüht eine Kirche in neuer Lebendigkeit.
Wie sieht die Zukunft aus? Da ist Zaghaftigkeit beim Zeichnen der Konturen. Heute aber teilen Menschen aus der Ukraine und aus Deutschland ihre Trost- und Ratlosigkeit und ebenso das Hoffen auf Befreiung und Frieden, so fern beides dieser Tage auch erscheint. Hilfe wurde geschenkt, Hilfe wird weiter gebraucht und wer sich darauf einlässt, wird um vieles reicher. Daran erinnert der zweite Jahrestag.
Matthias Puppe ist Pfarrer und Koordinator in der Arbeit mit ukrainischen Geflüchteten im Ökumenischen Zentrum der EKBO/Berliner Missionswerk.