Über 30.000 Flüchtlingskinder kommen im Sommer in NRW-Regelklassen
Die Schulen in Nordrhein-Westfalen müssen zum kommenden Schuljahr rund 33.000 neu zugewanderte Kinder und Jugendliche in ihre Regelklassen integrieren. Etwa ein Drittel von ihnen werde nach aktuellem Kenntnisstand Grundschulen zugeordnet, hieß es am Wochenende aus dem Schulministerium. Die Zuordnung so vieler zusätzlicher Schülerinnen und Schüler zu den jeweiligen Bildungsgängen und ein damit verbundener möglicher Übergang an eine andere als die zuvor besuchte Schule sei „eine gewaltige Aufgabe, die auf ein in manchen Kommunen und Regionen schon begrenztes Schulraumangebot trifft“. Die „Rheinische Post“ (Samstag) hatte zuerst darüber berichtet.
Hintergrund ist vor allem die starke Zuwanderung insbesondere aus der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf das Land im Februar 2022. Am 5. März dieses Jahres waren hochgerechnet auf alle öffentlichen Schulen in NRW insgesamt 107.710 neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler in der Deutschförderung gemeldet, darunter 43.440 aus der Ukraine. Ihre Beschulung hängt maßgeblich von den Deutschkenntnissen ab, dabei gibt es drei Einstufungen: vollständige Teilnahme am Regelunterricht, teilweise Teilnahme am Regelunterricht mit ergänzender Lerngruppe und Einteilung in eine gesonderte Lerngruppe, die sogenannte Willkommensklasse.
Der Vorsitzende der Schulleitungsvereinigung NRW, Wolfgang Siebeck, befürchtet angesichts dieser Zahlen eine „noch nie dagewesene Wanderungsbewegung von Schülerinnen und Schülern“. Haupt- und Realschulen sollten besonders viele Schüler in Regelklassen aufnehmen, sagte er der „Rheinischen Post“. Dafür reichten die vorhandenen Kapazitäten nicht aus. Es müssten zusätzliche Klassen gebildet werden, für die es aber weder Räume noch Lehrer oder Ausstattung gebe. Siebeck sprach von einem „Organisationsversagen“, weil diese Herausforderungen absehbar gewesen seien. „Aber Kommunen und die Bildungspolitik stehen davor wie ein Kaninchen vor der Schlange und warten ab, was passiert“, kritisierte er.
Aus dem Schulministerium hieß es dagegen, das Ministerium begleite diesen Prozess gemeinsam mit den Bezirksregierungen seit Langem – mindestens seit einem Jahr – sehr eng. Bereits frühzeitig sei klargestellt worden, dass die Erstförderung je nach erreichtem Sprachniveau auch länger als zwei Jahre dauern könne. Zudem lernten bereits jetzt viele neu zugewanderte Kinder in Regelklassen. Mit dem Übergang in den Regelunterricht nach spätestens zwei bis drei Jahren sei daher nicht zwangsläufig ein Klassen- oder Schulwechsel verbunden.
Der Landesintegrationsrat hob die Bedeutung von Deutschkenntnissen hervor. Viele zugewanderte Kinder und Jugendliche würden allein wegen Sprachproblemen an Haupt- und Realschulen vermittelt, obwohl sie dem Gymnasialstoff eigentlich gewachsen seien, beklagte Ksenija Sakelsek vom Landesintegrationsrat. Es sei „für die gesamte Gesellschaft schlecht, wenn diese Kinder nicht nach ihren Potenzialen gefördert werden“, sagte sie der „Rheinischen Post“.
Nach Zahlen des Statistischen Landesamts vom Februar besuchen im laufenden Schuljahr 2023/24 in NRW 49.615 ukrainische Schülerinnen und Schüler eine allgemeinbildende oder berufliche Schule. Das sind 16,7 Prozent mehr als im Schuljahr 2022/23 und fast 20-mal so viele wie im Schuljahr 2021/22 – vor Beginn des Ukraine-Kriegs.