Trotz Nahost-Krieg: Jüdische Gemeinden feiern Chanukka

Auch in Deutschland trauern Jüdinnen und Juden um Angehörige in Israel. Und trotzdem feiern sie Chanukka, das Lichterfest. Ein Blick nach Mecklenburg-Vorpommern.

Landesrabbiner Yuriy Kadnykov aus Mecklenburg-Vorpommern feiert das Lichterfest Chanukka
Landesrabbiner Yuriy Kadnykov aus Mecklenburg-Vorpommern feiert das Lichterfest ChanukkaTilman Baier

Das Lichterfest Chanukka steht an. In diesem Jahr feiern die Menschen jüdischen Glaubens es vom Abend des 7. bis zum 15. Dezember. Es ist ein Fest, das nicht auf biblische Gebote, sondern auf historische Ereignisse zurückgeht: der Sieg der Makkabäer über die griechisch-syrische Fremdherrschaft im Jahre 164 vor Christus wird gefeiert, sowie die Wiedereinweihung des Jerusalemer Tempels. „Es ist ein Fest für die religiöse Selbstbestimmung“, sagt Yuriy Kadnykov, der Landesrabbiner des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Gemeindeglieder haben Angst

In diesem Jahr fällt es in die dunkle Jahreszeit – und das wohl im doppelten Sinne. Denn die Menschen der jüdischen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern haben Angst, beschreibt der Rabbi: „Nach den Massakern, die Vertreter der Hamas in Israel ausgerichtet haben, war Israel gezwungen, den Gazastreifen anzugreifen: um eigene Bürger – Kinder, Greise, junge Menschen – zu befreien“, erläutert Kadnykov. Weltweit sehe man nun antisemitische Tendenzen steigen. „Das macht den Gemeindegliedern nicht nur Sorgen, sondern Angst.“

Die Chanukkia, zu besichtigen im Bibelzentrum Barth
Die Chanukkia, zu besichtigen im Bibelzentrum BarthUllrich Kahle

Jüdische Familien, die in den 1990ern die Sowjetunion verlassen haben, schlugen unterschiedliche Wege ein, sind hier nach Deutschland, nach Israel, USA, Australien oder Canada ausgewandert. „So sind große Familien gespalten“, beschreibt der in der Ukraine Geborene. So hätten viele, die hier in MV leben, Cousins, Tanten, Enkel in Israel. „Für sie sind dort nicht irgendwelche Menschen jüdischen Glaubens gestorben, sondern Familienmitglieder“, unterstreicht er. „Sie betrauern ihre Verluste, kommen zum Gottesdienst, um dort ihr Gebet zu sprechen und ihren Namen. Einige Familienmitglieder sind verschleppt, sie wissen nicht, ob sie schon tot sind oder ob es noch Hoffnung gibt.“ In dieser Situation Chanukka zu feiern: der Rabbi findet es wichtig. Während des achttägigen Festes werden morgens in der Synagoge besondere Gebete gesprochen. Abends treffen sich die Familien und entzünden mit Einbruch der Dunkelheit ein neues Licht an der Chanukkia, bis alle acht Kerzen brennen.

In schwierigen Zeiten nicht den Mut verlieren

„In dieser Trauer ist es schwierig, den Menschen etwas zu sagen. Aber unsere Situation lehrt uns, auch in schwierigen Zeiten nicht den Mut zu verlieren.“ Chanukka – das sei ein Licht gegen die Dunkelheit, das auch in allen christlichen Häusern angezündet werden könne. So wie 2022, als Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bellevue und Nachfahren der Rabbinerfamilie Posner aus Kiel Kerzen an einem Chanukka-Leuchter entzündeten. Erstes Ziel von Terroristen sei es, Angst zu verbreiten, so dass sich Alltägliches zur Seite schiebe. „Diesen Platz lassen wir uns nicht nehmen. Chanukka setzt dafür ein Zeichen.“

Dennoch besorge ihn die Unsicherheit für die Juden, selbst in der westlichen Welt. Der Gottesdienst in der Synagoge in Schwerin findet mit Polizeischutz statt. „Hier ist die Gemeinde sicher. Aber was passiert, wenn sie nach Hause gehen?“, fragt er. „Einerseits sehen wir, dass der Staat versucht, antijüdische Tendenzen zu unterbinden und Präventionsarbeit zu leisten. Aber wir merken auch, wie tief verankert der Hass in der Gesellschaft ist, nicht nur in der muslimischen Community. Dieses Massaker kann sich auch in Europa weiter entfalten.“

„Unser Leben soll nicht bestimmt werden durch Terroristen.“

Positiv sei, dass es viele gäbe, die Solidarität mit den Menschen in Israel zeigen. „Wir sind nicht allein. Unser Leben soll nicht bestimmt werden durch Terroristen.“ Umso wichtiger schätzt Kadnykov den Kampf gegen die Hamas ein. Richtig gelenkte Fördergelder seien dabei ein wichtiger Punkt. „Wenn wir als westliche Welt schon Geld ausgeben, müssen wir genau schauen, geht es darum, Infrastruktur für ein besseres Leben der Menschen zu schaffen oder darum, einen Terrorstaat zu unterstützen?“ Man müsse den Palästinensern helfen, ihren Staat aufzubauen. Es sei sein Wunsch, dass jemand käme, der in der Lage sei, die Palästinenser dazu zu bewegen.

„Die Israelis müssen gegen die Hamas kämpfen, um den Palästinensern ihre Freiheit zu geben“, so seine Einschätzung. „Da fallen auf beiden Seiten zivile Opfer. Wir hoffen, dass diese Auseinandersetzungen schnell beendet sind, aber das liegt in Gottes Hand. Die Armee muss ihre Arbeit machen. Wir können beten und hoffen, dass die Zeit schnell kommt, dass der Gaza-Streifen zu einer schönen Gegend ausgebaut werden kann – wo nicht Bunker für Terroristen gebaut werden, sondern Menschen entwickelt leben können.“