Top-Gewinn, Top-Gehalt und die Maßfrage

Industriepfarrer Schladebusch äußert Verständnis für hohe Bezüge der VW-Manager. Ex-Bundestagspräsident Thierse nennt sie mit Blick auf den Dieselskandal und die Folgen unanständig

Wolfsburg/Hannover –  Der Wolfsburger Industriepfarrer Peer-Detlev Schladebusch hat dazu aufgefordert, in der Diskussion über Managergehälter und Boni bei Volkswagen ein rechtes Maß anzulegen und beiden Seiten gerecht zu werden. „Jedem ist ein gutes Gehalt zu gönnen“, sagte der evangelische Pastor für Führungskräfte in der Wirtschaft. „Da sind mir die Stellen vor dem Komma völlig egal.“ Von einer „echten, verantwortungsbewussten Führungskraft“ erwarte er aber, dass sie nicht nur im ökonomischen, sondern auch im sozialen und zwischenmenschlichen Bereich erkennbar Maßstäbe und Zeichen setze.
Gut bezahlte Manager könnten freiwillig auf nennenswerte Summen verzichten oder besser noch für soziale Projekte spenden, sagte Schladebusch. Nach christlichem Maßstab gelte: „Wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.“ So stehe es schon im Lukas­evangelium in der Bibel.
Wenn Führungskräfte den Blick für die verlören, die deutlich weniger hätten, schadeten sie sich damit oft auch selbst, sagte der Pastor der hannoverschen Landeskirche. „Ich kenne einige Superreiche, die sind sehr arm an sozialen Kontakten. Sie argwöhnen ständig, alle wollten nur ihr Geld.“
Schladebusch warnte jedoch auch davor, immer wieder in eine Neiddebatte zu verfallen und jedem, der besser verdiene, den Lohn zu missgönnen. Die Verfehlungen des Dieselskandals mit den jetzigen Gehaltssteigerungen zu verknüpfen, halte er zudem für falsch und populistisch: „Heutige Boni für aktuelle Top-Angestellte lassen sich nicht verrechnen mit Verfehlungen anderer vorhergehender Führungskräfte.“ Die Gehälter und Boni würden im Miteinander des Aufsichtsrats rechtmäßig beschlossen, erläuterte der Theologe.
Global handelnde Unternehmen stünden im ständigen Wettbewerb um gute Manager. Sie seien manchmal gezwungen, hohe Gehälter zu zahlen, um eine gute Führungskraft zu halten.
Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hingegen kritisierte die gestiegenen Managergehälter bei VW. Es sei unanständig, wenn ein Vorstandschef das 200-Fache dessen einnehme, was ein Facharbeiter verdiene, schreibt Thierse in einem Gastbeitrag für das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Gleiches gelte für Boni, die bei Managern um das 600-Fache höher lägen als bei den einfachen Mitarbeitern.
Der VW-Konzern habe den Dieselskandal verursacht, weigere sich jetzt aber, aus seinen Milliardengewinnen die Umrüstung von Dieselmotoren mit zu finanzieren, erläuterte der SPD-Politiker. Gleichzeitig führe die Gesellschaft eine Debatte darüber, ob die Mittel der Tafeln für alle Bedürftigen reichen. „Die wirtschaftliche Elite hat ein abgeschottetes Sonderbewusstsein entwickelt.“ Sie sei der Meinung, ihr stehe das Geld zu. Das sei „eine direkte Attacke auf das Wertefundament unseres Landes“.
Die Bezüge der zehn obersten VW-Manager – einschließlich der ausgeschiedenen Christine Hohmann-Dennhardt – nach jüngsten Angaben des Konzerns summierten sich im vergangenen Jahr auf 50,3 Millionen Euro. 2016 waren es 39,5 Millionen Euro. Das Gehalt von Vorstandschef Matthias Müller stieg von 7,25 Millionen auf 10,1 Millionen Euro pro Jahr. epd/UK