Tierpathologe zu „Qualzucht“: Wir müssen Rassen neu denken
Möpse bekommen schlecht Luft, Dackel wegen ihrer kurzen Beine häufig Bandscheibenvorfälle. Der Berliner Tierpathologe Achim Gruber fordert, die Reinrassigkeit in der Hundezucht aufzugeben.
Sie haben eine süße Stupsnase, bekommen aber kaum Luft: Möpse sind wohl der Inbegriff von „Qualzucht“. Nach Angaben des Tierpathologen Achim Gruber von der Freien Universität Berlin haben Züchter in den vergangenen Jahrhunderten viel bei Hunden angerichtet. Der Professor erklärte am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin, manche Hunderassen müssten künftig anders aussehen dürfen. „Wir müssen das Reinrassigkeitsprinzip aufgeben und Rassen neu denken“, forderte Gruber.
Früher sei die Reinrassigkeit ein Qualitätsmerkmal gewesen. „Heute wissen wir, dass reine Rassen im Durchschnitt deutlich kränker sind als Mischlinge“, sagte der Tierpathologe. Es gebe aber bei Rasse- wie Mischlingshunden jeweils auch Ausnahmen.
Gruber zufolge sind Rassehunden neben den gewollten Zuchtmerkmalen auch nicht mehr funktionierende Anatomien angezüchtet worden. Ein Mops brauche aber eine längere Nase, ganz groß gezüchtete Hunde müssten kleiner werden. Auch bei Hundehaltern beliebte Fellfarben müssten überdacht werden – denn sie könnten mit schweren Krankheiten und Sinnesstörungen einhergehen. „Da müssen wir gründlich aufräumen“, sagte Gruber. Es seien mehr als 80 verschiedene schwere Erkrankungen und Sinnesstörungen als Nebenwirkungen meist sehr beliebter Zuchtziele bekannt.
Aus der Forschung gibt es laut Gruber viele Informationen, „wie wir aus den Dilemmata wieder herauskommen“. Verschiedene Rassen könnten gesünder gezüchtet werden, indem andere Rassen – auch Mischlinge – eingekreuzt würden. So erhöhe man einerseits die genetische Variabilität und komme andererseits weg von den „kaputten Anatomien“.
Der Universitätsprofessor führte seine Forderungen vor dem Hintergrund der geplanten Reform des Tierschutzgesetzes durch die Ampel-Regierung aus. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der in Zukunft Qualzuchten verhindern soll. „Ich bin sehr hoffnungsvoll, dass diese Neufassung des Gesetzes sehr viel effektiver umgesetzt werden kann als das alte Tierschutzgesetz“, erklärte Gruber.