Thierse zur Wahl: Politik muss Sorgen der Bürger ernst nehmen
Die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen seien für ihn auch eine persönliche Niederlage, meint der Ex-Bundestagspräsident Thierse. Als gebürtiger Thüringer habe er sich stets als Sprecher der Ostdeutschen verstanden.
Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat die demokratischen Parteien nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen dazu aufgerufen, gemeinsam nach Lösungen etwa in den Fragen zur Migration zu suchen. Das Wahlergebnis in den beiden Bundesländern sei eine Dokumentation von Angst und Wut, sagte Thierse am Dienstag dem Deutschlandfunk. Das überwinde man nicht durch Schulterklopfen, sondern indem man die Sorgen der Bürger und Bürgerinnen erst nimmt – “ohne Wunder zu versprechen”, so der SPD-Politiker.
Bei den Wahlen am Sonntag konnte die AfD in beiden Bundesländern große Zuwächse verzeichnen. In Thüringen ist sie mit 32,8 Prozent der Stimmen stärkste Kraft, gefolgt von der CDU mit 23,6 Prozent. In Sachsen liegt die AfD mit 30,6 Prozent auf Rang zwei hinter der CDU (31,9 Prozent).
Die Wahlergebnisse bedeuteten einen tiefen Einschnitt, sagte Thierse. Zum ersten Mal habe eine gesichert rechtsextreme Partei bei einer Landtagswahl die meisten Stimmen erhalten. Das Ergebnis habe ihn persönlich betroffen gemacht. Er sei in Thüringen aufgewachsen und habe sich in seiner aktiven politischen Zeit immer auch als Sprecher der Ostdeutschen verstanden. “Es fühlt sich an wie eine persönliche Niederlage”, so Thierse.
Die Menschen hätten gerade in Zeiten komplexere Durchsetzungsprozesse und multipler Krisen das Bedürfnis nach einfachen, schmerzlosen Lösungen und seien enttäuscht, wenn die Politik diese nicht liefere, meinte der SPD-Politiker weiter. Die Folge sei dann, “Wunderheiler-Parteien” zu wählen, die diese einfachen Lösungen versprächen. Bei vielen wirke da die autoritäre Prägung aus DDR-Zeiten nach sowie Konflikte nach dem Prozess der Wiedervereinigung.