Thierse: Viele Ostdeutsche haben anderes Demokratieverständnis

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse versucht, die Wahlentscheidungen seiner ostdeutschen Landsleute am 1. September zu verstehen. Er hält ein spezielles Demokratieverständnis für die Hauptursache.

Aus Sicht des früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) enthüllen die Wahlen in Sachsen und Thüringen ein spezifisches Demokratieverständnis vieler Ostdeutscher. “Zu wenige Ostdeutsche haben nach 1989/1990 die gemeinsame Demokratie als Einladung zu eigener Verantwortung, als Aufforderung zum Mitmischen begriffen”, schreibt Thierse in einem Beitrag der Zeitschrift “Publik-Forum” (Freitag).

Dies habe Folgen: Die politische Kultur im Osten sei fragiler, mit schwächeren demokratischen Strukturen, mit weniger festen Parteibindungen und vor allem bei vielen Menschen mit einer anderen Vorstellung von Demokratie, ist Thierse überzeugt, der selbst in Thüringen aufwuchs. “Sie wollen weniger Parteiendemokratie – mit ihrem Regelwerk und Institutionengefüge und ihren zeitraubenden Entscheidungsprozessen -, sondern eine direktere Demokratie”, so Thierse weiter. Der Volkswille solle vollzogen werden, statt quälendem Streit solle es die umweglose Durchsetzung der Mehrheitswünsche geben, durch eine entschlossen geführte Politik und klare Führung.