Thierse skeptisch über Forderungen nach neuem Straftatbestand

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) steht Forderungen nach einem neuen Straftagbestand im Hinblick auf Angriffe gegen Politiker skeptisch gegenüber. „Es kommt darauf an, wie man einen solchen Straftatbestand formuliert“, sagte er im „Tagesanbruch“-Podcast des Nachrichtenportals t-online (Samstag). Dabei dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass Sonderrechte für Politikerinnen und Politiker geschaffen werden. Solche Sonderrechte könnten im Gegenteil zu einer größeren Spaltung zwischen einer vermeintlichen politischen Elite und dem Rest des Wahlvolks führen.

Thierse bezeichnete Attacken auf Politiker wie den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke als klare Angriffe auf die Demokratie. Die Regeln von Freiheit und Verantwortung, von Fairness und Friedlichkeit in der Debatte würden derzeit zerstört. Selbstbestimmung sei zu einem reinen Ausdruck von Egoismus verkommen. „Was ich will, ist entscheidend. Und der Staat und die Politik haben gefälligst zu leisten, was ich von ihnen erwarte.“ Das sei ein Missverständnis von Demokratie, sagte der ehemalige Bundestagspräsident.

Thierse kritisierte auch die Medien. Neben mehr Kontrolle der sozialen Netzwerke forderte er von den klassischen Medien mehr Nüchternheit. Nüchterne Feststellungen über die Realität seien mittlerweile tabuisiert. Der SPD-Politiker beklagte eine Tendenz zur Zuspitzung, Verschärfung und eine Dominanz der Kritik. Wenn ein Politiker „mal fünf zusammenhängende Sätze sagt“, werde er so lang provoziert, bis er „den falschen Halbsatz gesagt hat, den er dann als Mühlstein um den Hals gehängt bekommt“.