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Theologe zu Queer-Index: Synodaler Prozess führt zu mehr Akzeptanz

Der neue “Rainbow Index of Churches in Europe” untersucht, wie es um die Queerfreundlichkeit der Kirchen in Europa bestellt ist. Der Theologe Michael Brinkschröder ordnet ein – und erkennt manch Revolutionäres.

Nach Ansicht des Theologen Michael Brinkschröder ist eine der zentralen Erkenntnisse des kürzlich veröffentlichten “Rainbow Index of Churches in Europe” (RICE), dass der synodale Prozess die Akzeptanz von queeren Menschen in der Kirche fördere. In Europa gebe es dort eine wachsende Inklusivität zu verzeichnen, wo der Synodale Prozess aktiv vorangetrieben werde, schreibt Brinkschröder in einem am Donnerstag veröffentlichten Beitrag für das Portal “feinschwarz.net”. Der Fachreferent für Queerpastoral in der Erzdiözese München und Freising wirkte beratend an der Erstellung des Berichts mit.

Dass sich innerhalb von fünf Jahren der Wert für die Inklusivität in der römisch-katholischen Kirche um rund sechs Prozent und damit stärker als in den anderen Kirchenfamilien erhöht habe, führten die Studienautoren durchgängig auf den Synodalen Prozess zurück, so Brinkschröder. Das umgekehrte Bild sei jedoch auch erkennbar: So stagnierten oder gingen die Werte dort zurück, “wo der Synodale Prozess bislang nur oberflächlich und lediglich zur Wahrung des Scheins durchgeführt wurde (wie z.B. in Ungarn und der Slowakei)”.

Im Oktober wurde der RICE zum zweiten Mal nach 2021 veröffentlicht. Den Ergebnissen zufolge ist unter den katholischen Kirchen Europas die in Deutschland am queerfreundlichsten. Demnach erreicht sie 37,5 von möglichen 47 Punkten und steht damit auf Platz 9 des Rankings. Den Spitzenplatz nahm die Metropolitan Community Church in Wien ein, eine protestantische Freikirche. Das Europäische Forum christlicher LGBTQ-Gruppen hat die Untersuchung gemeinsam mit der Protestantischen Theologischen Universität in den Niederlanden anhand eines “Inklusivitätsindex” durchgeführt. Die Begriffe “queer” und LGBTQ stehen unter anderem für lesbische, schwule und bisexuelle Personen sowie Transgender.

Als Gründe für das gute Abschneiden der katholischen Kirche in Deutschland nennt der Bericht die starken Laiengremien und katholischen Verbände, die das Gemeindeleben prägen und eine wichtige Brücke zwischen Gläubigen und kirchlicher Hierarchie bilden. Weitere Fortschritte sieht die Studie in der etablierten LGBTQ-Seelsorge mit nationalen und regionalen Koordinatoren sowie in der Zuständigkeit eines Weihbischofs im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz für diesen Seelsorgebereich.

Obwohl die katholische Kirche in Deutschland bereits im ersten Index gut abgeschnitten habe, sei ihr Punktewert um rund 19 Prozent gestiegen. In der katholischen Kirche in England und Wales seien es sogar 33 Prozent. Dies mute “für eine Kirche, von der man gemeinhin sagt, dass sie in Jahrhunderten denkt, nahezu revolutionär an”, so Brinkschröder.

Auffallend ist nach Ansicht des Theologen auch, dass in manchen Ländern die römisch-katholische Kirche vom Akzeptanzniveau ihrer sozialen Umwelt abfalle. So kommt etwa die Kirche in den Niederlanden auf 12,5 Punkte, die Kirche in Spanien auf 9,0 und die Kirche in Schweden auf 8,0. Das ließe sich nur durch kircheninterne Faktoren in diesen Ländern erklären. “In Schweden besteht die Kirche vor allem aus Einwanderern, die andere Wertvorstellungen haben. Da in Spanien und den Niederlanden jedoch auch die Katholik:innen selbst deutlich inklusivere Haltungen haben als die Kirche, legt sich die Schlussfolgerung nahe, dass hier die Bischöfe als Bremsklötze gewirkt haben.”

Grundlegende Voraussetzung für nachhaltige Veränderungen bei der Inklusion queerer Menschen in der Kirche sei, dass kirchliche Reformprozesse, gesellschaftliche Akzeptanz und interne pastorale Initiativen zusammenspielten, so Brinkschröder. Je mehr Länder Fortschritte erzielten, desto leichter könnten andere folgen. “Ein wichtiger Schritt dahin könnte die vertiefte Auseinandersetzung mit den zum Teil meilenweit auseinanderliegenden Konzepten der Queerpastoral in Europa sein.”