Theologe: Eskalation in Lützerath wirft die Region zurück

Wie geht es mit den Dörfern rund um Lützerath jetzt weiter? Der Superintendent der Region, Jens Sannig, hat keine gute Prognose – und will demonstrieren.

Die Räumung in Lützerath geht weiter. Hier holt die Polizei Aktivisten von einem Dach
Die Räumung in Lützerath geht weiter. Hier holt die Polizei Aktivisten von einem DachImago / Jochen Tack

Der Jülicher Superintendent Jens Sannig sieht im zugespitzten Konflikt um das Dorf Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier einen Rückschritt für die weitere Entwicklung der Region. Zu der verschärften Situation mit Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Weilers durch die Polizei hätte es nicht kommen müssen, wenn die Politik und der Energiekonzern RWE auf die Abbaggerung verzichtet hätten, sagte Sannig dem Evangelischen Pressedienst (epd). Man hätte so „die Region befrieden können“. Am Samstag will der evangelische Theologe an der geplanten großen Demonstration gegen die anstehende Abbaggerung des Ortes teilnehmen und dort sprechen.

Sannig verwies auf eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), nach der die Kohle unter Lützerath nicht nötig wäre, um die Energiesicherheit in Deutschland zu gewährleisten. Zudem verabschiede sich die Politik mit der Verfeuerung der unter Lützerath liegenden Kohle von dem auf dem Pariser Klimagipfel beschlossenen Ziel, den Anstieg der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. „Dieser Kraftakt ist nicht nötig“, betonte der Theologe mit Blick auf den hohen personellen und logistischen Aufwand zur Räumung des Dorfes.

„Wir waren gefühlt weiter“

Der leitende Theologe des Kirchenkreises Jülich mit rund 75.000 Protestanten geht davon aus, dass der Abriss von Lützerath nicht mehr zu verhindern ist. Zugleich bedauerte er, dass aufgrund der aktuellen Vorkommnisse der Blick auf die Region wieder zu sehr nach hinten gerichtet werde: „Wir waren gefühlt schon weiter!“

Der Jülicher Superintendent Jens Sannig kritisiert die Abbaggerung in Lützerath (Archivbild)
Der Jülicher Superintendent Jens Sannig kritisiert die Abbaggerung in Lützerath (Archivbild)epd-bild / Guido Schiefer

Das betreffe vor allem die Frage, wie es in den übrigen fünf Dörfern am Rande des Tagebaus Garzweiler weitergehen solle, die erhalten bleiben. Hier gehe es darum, die Dörfer „zukunftsfähig zu gestalten“ und dafür zu sorgen, dass die teilweise schon verwaisten Ortschaften wieder junge Familien anlocken, sagte Sannig. Seinen Angaben zufolge leben in diesen Dörfern, die zwischenzeitlich vom Abriss bedroht waren, aktuell noch rund 260 Menschen.

Der 59-jährige Theologe ist nach eigenen Angaben nicht überrascht, dass Lützerath neben dem Hambacher Forst zu einem bundesweiten Symbol des Widerstands von Klimaaktivisten gegen die Braunkohle-Verstromung geworden ist. „Damit habe ich gerechnet“, sagte er. Bedauerlich sei, dass mit der Auseinandersetzung vor Ort nun auch extremistischen Kräften eine Bühne bereitet worden sei: „Wir hätten diese Bilder nicht gebraucht.“