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Tausende demonstrieren gegen AfD-Jugend – auch kirchliche Gruppen

Laut Polizei sind es am Ende etwa 25.000 Menschen. Menschen, die gegen die neue AfD-Jugendorganisation demonstrieren. Auch die Kirchen setzen an diesem Tag deutliche Zeichen für Demokratie.

Die Lage ist angespannt. Zwei Wasserwerfer und Hundertschaften der Polizei sperren die Konrad-Adenauer-Brücke in Gießen. Davor stehen Tausende Demonstrierende mit bunten Plakaten und Bannern. Auf der anderen Seite der Lahn treffen sich an diesem Samstag rund 1.000 Menschen, um eine Nachfolgerin für die rechtsextreme AfD-Jugendorganisation “Junge Alternative” zu gründen. Dass die Demonstrationen unmittelbar vor der Kongresshalle nicht gestattet wurden, möchten viele nicht so stehen lassen.

Schon am Morgen meldet die Polizei Handgreiflichkeiten, Steinewerfer und den Einsatz von Pfefferspray zur Gegenwehr. Davon ist hier wenig zu spüren. Die Lage ist emotionsgeladen, die Stimmung aber nicht aggressiv.

Mitten unter den Demonstrierenden ist auch eine Gruppe der katholischen Friedensbewegung Pax Christi. “Wir können nicht einfach zusehen, wenn unsere demokratische Grundordnung vor die Wand gefahren wird”, sagt Thomas Meinhardt vom Regionalverband Rhein-Main. Zustimmungswerte für die AfD von rund 25 Prozent seien sehr beängstigend.

Sie wollten das Bewusstsein dafür schärfen, welche Gefahren von den Feinden der Demokratie ausgingen, ergänzt Winfried Montz. Er berichtet davon, dass ihre Gruppe noch etwas größer hätte sein können. Einige Mitglieder seien nicht mit nach Gießen gereist – aus Sorge, ihnen könnte etwas zustoßen. Die Berichte im Vorfeld und die angekündigte Zahl der Demonstrierenden hätten bei ihnen Ängste ausgelöst.

Es seien insgesamt weniger Menschen in der Stadt gewesen, als von den Veranstaltern angegeben, teilt ein Polizeisprecher mit. Er schätzt die Zahl der Demonstrierenden auf 25.000. Die Proteste seien weitgehend friedlich verlaufen, auch wenn es zu mehreren gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen sei.

Für einen friedlichen Protest hat sich auch die Katholische junge Gemeinde (KjG) aus dem Bistum Fulda auf den Weg gemacht. “Nächstenliebe hat keine Grenzen”, wiederholt Sarah Grauel einen Spruch, den sie auf einem Protestplakat gelesen hat. Auf dem eigenen steht die Abkürzung KjG an diesem Tag für “Katholisch, jung, gegen Rechts”.

Als Katholikinnen und Katholiken sei es wichtig, immer die Menschen zu unterstützen, die ausgegrenzt werden, sagt Grauel. Mit ihrem Protest in Regenbogenfarben möchten die jungen Erwachsenen auch aufzeigen, dass katholisch nicht gleich konservativ bedeute. Pfadfinder Fabian Storck ergänzt: “Was wir als katholische Jugendverbände machen, ist das Gegenteil von dem, was die AfD macht.”

In mehreren Kirchen der Stadt bieten die katholischen und evangelischen Gemeinden ganz praktische Hilfe an. Hier können sich Demonstrierende bei Kaffee, Tee und Plätzchen aufwärmen. Mit der Resonanz ist Klaus Busch, Kirchenvorsteher der evangelischen Johanneskirche, zufrieden. Ein stündliches Friedensgebet rundet das Angebot ab.

Am Rande der Innenstadt findet derweil ein “Fest der Demokratie” statt, federführend organisiert von der evangelischen Kirche. Dass bei den Protesten auch die Kirche vertreten sei, sei sehr wichtig, betont der katholische Pfarrer Benjamin Weiß. Christinnen und Christen müssten die Botschaft des Evangeliums leben. Dazu zähle auch, für Vielfalt einzustehen und eine Stimme für die Menschen zu sein, die oft nicht gehört würden.

Die beiden großen Kirchen sowie die jüdische und muslimische Gemeinde stehen beim Demokratiefest gemeinsam auf der Bühne. Halit Aydin von der muslimischen Gemeinde Gießen betont, es dürfe nicht geschwiegen werden, wenn versucht werde, Menschen gegeneinander auszuspielen. Pröpstin Anke Spory von der evangelischen Kirche zitiert Martin Luther King: “Es ist immer die richtige Zeit, das Richtige zu tun.” Und der katholische Pfarrer Erik Wehner macht deutlich: “Wir können als Religionsgemeinschaften beim Thema Menschenwürde nicht neutral sein.”

Unterdessen versuchen die Demonstrierenden am anderen Ende der Innenstadt weiterhin, über die Brücke zum Veranstaltungsgelände zu gelangen, in dem sich inzwischen die “Generation Deutschland” gegründet hat. An einem Tag wie diesem kommen in Gießen viele Menschen zusammen, um gegen Rechtsradikale und Rechtsextreme zu protestieren: diejenigen, die Brücken stürmen, und jene, die neue bauen möchten.