Tassilo-Kelch und Problembär “Bruno” vereint in Freising

Das bayerische „Mia san Mia“ ist offenbar älter als gedacht. Den Eindruck zumindest erhält, wer Richard Loibl zuhört, wenn er über den selbstbewussten bayerischen Herzog Tassilo III. (ca. 746 bis ca. 796), dessen Kelch und einen besonderen Bären spricht. Loibl ist Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte (HdbG) und somit Chef der neuen Landesausstellung „Tassilo, Korbinian und der Bär – Bayern im frühen Mittelalter“, die am 6. Mai in Freising eröffnet wird. Der namensgebende Herzog war der letzte Spross aus dem Geschlecht der Agilolfinger, der sich gern mit einem Königreich Bayern vom Frankenreich seines Cousins Karl dem Großen (ca. 747-814) emanzipiert hätte. Der Plan ging schief: Karl steckte Tassilo in Klosterhaft und schluckte Bayern.

Vom Selbstbewusstsein des königsgleich regierenden Tassilo zeugt hingegen noch heute der „Tassilo-Kelch“: Sechs Wochen lang wird der reich verzierte Kelch im Original bei der Bayerischen Landesausstellung in Freising zu sehen sein. Für Loibl ist das „eine absolute Sensation“, denn das Trinkgefäß wird seit mindestens 1.000 Jahren im österreichischen Kloster Kremsmünster aufbewahrt. Ausgeliehen wird der Kelch sonst nur alle 100 Jahre. Für Freising machte Kremsmünster eine Ausnahme. Ursprünglich sollte der „Tassilo-Liutpirc-Kelch“, wie er offiziell heißt, wohl im 774 neu geweihten Salzburger Dom zum Einsatz kommen. Neuere Forschungen vermuten, dass der Salzburger Dom auch Tassilos Krönungskirche hätte werden sollen.

Zum ersten Mal überhaupt sei der prunkvolle Kelch im „Zentrum von Tassilos Land“ im Original zu sehen, sagt Loibl. Ab 16. Juni kommt dann wieder eine – gleichwohl wertvolle – Kopie zum Einsatz. Im Tausch mit dem Kelch schickt das Kloster Kremsmünster dann ein weiteres kostbares Original aus seiner Schatzkammer nach Freising: ein Evangeliar, das aufgrund seiner herausragenden Buchmalereien als „Codex Millenarius“, also als Jahrtausendwerk, bezeichnet wird. Für Loibl sind der Tassilo-Liutpirc-Kelch und der Codex Millenarius die wertvollsten Stücke, die das bayerische Mittelalter zu bieten hat.

Ausgangspunkt, um den sich in der Landesausstellung alles rankt, ist das 1.300. Korbiniansjubiläum, das die Erzdiözese München und Freising in diesem Jahr feiert. Der Legende nach sei der aus Frankreich stammende Korbinian 724 nach Freising gekommen, erzählt Loibl. Auf einer seiner Reisen über die Alpen griff ihn ein Bär an und tötete seinen Maulesel. Wider Erwarten konnte Korbinian den Bären besiegen und ließ ihn dann zur Strafe all sein Gepäck bis nach Rom schleppen, dort wurde der Bär freigelassen. Attribut des Heiligen Korbinian (ca. 680 bis ca. 730), der als Bistumsgründer und erster Bischof von Freising gilt, ist daher ein Bär. In Erinnerung daran wird daher auch der wohl berühmteste Meister Petz der jüngeren Zeit gezeigt: Der 2006 im Ammergebirge erschossene „Problembär“ Bruno, der seither ausgestopft im Museum Mensch und Natur in München steht und nun als Leihgabe nach Freising kommt.

Dass in der Landesausstellung weltliche Fürsten und Kirchenfürsten wie Tassilo und Korbinian aufeinandertreffen, ist laut Loibl gewollt. Zwischen dem weltlichen und geistlichen Bereich habe schon immer eine Symbiose bestanden. Die katholische Kirche habe schnell begriffen, dass sie ihre Lehre nur mit weltlicher militärischer Unterstützung durchsetzen konnte. Die weltlichen Herrscher wiederum brauchten für ihre Machtausdehnung immer mehr Verwaltung – das heißt: Menschen, die schreiben und lesen konnten. Und mit denen konnte die Kirche dienen. Klöster hätten außerdem eine gute Versorgungsstruktur gehabt und seien daher auch als Herrschersitze oder zum Aufenthalt bei Reisen genutzt worden.

„Religion ist eine hochpolitische Sache. Und Politik wiederum hat viel mit Religion zu tun“, betont Loibl. Mitveranstalter der Landesausstellung ist diesmal daher auch die Erzdiözese München und Freising, Loibl spricht von einer „schönen und guten Partnerschaft“. Zu sehen ist die Landesausstellung bis 3. November im generalsanierten Diözesanmuseum auf dem Freisinger Domberg, das nach neun Jahren Schließung erst 2022 wieder seine Pforten geöffnet hatte. Loibl rechnet wieder mit einer sechsstelligen Zahl an Besuchern. Die Landesausstellung im kommenden Jahr befasst sich übrigens mit König Ludwig I. von Bayern zu dessen 200. Regierungsjubiläum. (00/1362/30.04.2024)