Synodenpräses: Auf die schauen, die den Mächtigen nicht wichtig sind
Mit beeindruckenden Schilderungen von der Situation Geflüchteter auf der griechischen Insel Kos und einer geflüchteten Iranerin im ZDF-Fernsehgottesdienst hat die Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Sonntag in Würzburg begonnen. EKD-Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich sagte zu Beginn des Gottesdienstes, das Kirchenparlament wolle während seiner Tagung schwerpunktmäßig „auf die schauen, deren Leben den politisch Mächtigen immer wieder nicht wichtig genug erscheint“.
Gabriele Hoerschelmann, die Direktorin des Partnerschaftszentrums der bayerischen Landeskirche, Mission EineWelt, berichtete von einer Delegationsreise mehrerer EKD-Synodaler. Am Strand der Insel Kos hätten sie Reste von Rettungswesten und Schlauchbooten gesehen – unmittelbar neben den Touristenhotels mit Liegen. Hoerschelmann erzählte von Geflüchteten, die nach ihrer Anerkennung monatelang auf ihre Papiere für die Weiterreise warten und bis dahin „nur mit einer Decke“ nahe des Flüchtlingslagers hausen mussten.
Die Deutsch-Iranerin Saghar Kia berichtete von ihrer Flucht aus dem Iran. Zusammen mit ihrer Tochter sei sie mithilfe von Schleppern nach Deutschland gekommen, weil sie als Frau im Iran nicht ohne Zustimmung eines Mannes hätte ausreisen dürfen. „Ich kam ins Ankerzentrum Bamberg“, erinnerte sie sich. Sie habe dort kaum geschlafen: „Aus Angst vor den ständigen Abschiebungen dort.“ Inzwischen ist sie nicht nur zum Christentum konvertiert, sondern hat einen deutschen Pass und ist als Diakonin in der Klinikseelsorge tätig.
Auch der bayerische Landesbischof Christian Kopp ging in seiner Predigt auf die Schutzbedürftigkeit aller Menschen ein. Alle Menschen bräuchten das Gleiche: Ein Dach über dem Kopf, etwas zu Essen, ruhige Nächte und Schlaf ohne Sirenen: „Orte, wo wir sicher sein können.“ Er mache sich bei der aktuellen, oft aufgeheizten Migrationsdebatte bewusst, dass auch er selbst vielleicht einmal in eine Situation kommen könnte, in der er fliehen muss. „Ich stelle mir vor, wie es mir dann ginge. Das hilft mir bei diesen Fragestellungen.“
Es sei auch angesichts der weltweiten Fluchtbewegungen „viel Angst unterwegs“, sagte Kopp. Vorurteile gegenüber Fremden würden „geradezu gezüchtet“. Ihm helfen in solchen Situationen Fakten: „Deutschland ist seit Jahrhunderten ein Land der Zuwanderung.“ Zugewanderte Menschen packten „in unzähligen Berufen“ mit an: „Wir würden das alles aus eigener Kraft gar nicht mehr schaffen.“ Die Wirtschaft benötige Zuwanderung. Zugleich verwies er darauf, dass man Zuwanderung vom individuellen Recht auf Asyl trennen müsse.
Die EKD-Synodaltagung dauert noch bis Mittwoch (13. November), das Schwerpunktthema lautet „Flucht, Migration und Menschenrechte“. Der Gottesdienst aus der evangelischen Dekanatskirche St. Stephan wurde am Sonntagmorgen live vom ZDF übertragen. (00/3391/10.11.2024)