Den Vorwurf, sie betrieben Sozialtourismus, begegnet Menschen aus der Ukraine offenbar auch in Jobcentern. Laut einer Studie basieren solche Aussagen auch auf historisch gewachsenen Vorurteilen.
Laut einer Studie haben es Menschen mit osteuropäischer Migrationsbiografie schwer, Zugang zu Arbeit und Sozialleistungen zu erhalten. Benachteiligungen entstehen demnach durch Ermessensspielräume von Mitarbeitenden in Jobcentern, wie es in der am Dienstag veröffentlichten Untersuchung heißt. Laut der Autoren sind diese zudem das Ergebnis struktureller und institutioneller Diskriminierungen gegenüber Menschen vor allem aus Osteuropa. Besonders deutlich sei dies am Beispiel Geflüchteter aus der Ukraine. Ihnen sei von Mitarbeitenden in einigen Job-Centern unterstellt worden, “Sozialtourismus” zu betreiben oder “faul” zu sein.
Die Untersuchung, die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gefördert wurde, stützt sich auf 82 qualitative Forschungsinterviews, die im Zeitraum von September 2023 bis Mai 2024 durchgeführt wurden. Befragt wurden Mitarbeitende in 22 Jobcentern. Der zweite Teil der Studie basiert demnach auf die Befragung von Menschen aus dem östlichen Europa.
Nach Ansicht der Historiker Jannis Panagiotidis und Hans-Christian Petersen als Co-Autoren der Studie basieren “solche Zuschreibungen auf historisch gewachsenen Stereotypen über osteuropäische ‘Armutsmigration’, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen”. Die unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman erklärte dazu, solche Ressentiments könnten dazu führen, dass Menschen aus der Ukraine vorschnell in Niedriglohn-Jobs gedrängt würden, weil die schnelle Arbeitsvermittlung einer qualifizierten Arbeitsaufnahme vorgezogen werde.
Das könne zur Folge haben, dass einem ukrainischen Facharzt ein Reinigungsjob vermittelt wird, so Ataman weiter. Diese geschehe, nicht, weil es den Menschen an Motivation fehle oder sie besonders für den Niedriglohnsektor geeignet wären, sondern weil rechtliche und politische Rahmenbedingungen ihnen keine Alternative lasse.
Problematisch ist laut der Studie zudem, dass Ukrainer und Ukrainerinnen auf erhebliche Zugangsbarrieren zum Arbeitsmarkt stoßen. Dazu gehörten vor allem die langwierige und ineffiziente Anerkennung von beruflichen Abschlüssen, aber auch der befristete Aufenthaltsstatus sowie die Erwartungshaltung, dass gut ausgebildete Ukrainer und Ukrainerinnen sich mit einem Job weit unter ihrem Qualifizierungsniveau zufriedengeben müssten.
Die Forschenden empfahlen antirassistische Schulungen in Jobcentern und eine Erweiterung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, das auch Diskriminierungen durch staatliche Stellen erfassen sollte.