Wollen Bürgergeldempfänger gar nicht arbeiten? Die Hälfte geht laut einer neuen Studie keiner Jobsuche nach. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit.
Viele langjährige Bürgergeldempfänger suchen einer neuen Studie zufolge nicht aktiv nach Arbeit. 57 Prozent der zwischen 25 und 50 Jahre alten Befragten, die seit mindestens einem Jahr Bürgergeld beziehen, gaben an, in den vergangenen vier Wochen keine Jobsuche betrieben zu haben. Das geht aus einer repräsentativen Erhebung des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hervor, die am Donnerstag veröffentlicht wurde.
Als zentrales Hindernis nennen viele gesundheitliche Probleme: 45 Prozent berichten von psychischen oder chronischen Erkrankungen, unter den Nicht-Suchenden sind es sogar 74 Prozent.
Zugleich fühlen sich viele von den Jobcentern unzureichend unterstützt. Knapp 43 Prozent gaben an, noch nie ein Stellenangebot erhalten zu haben; rund 38 Prozent berichten von fehlenden Weiterbildungsangeboten. Der Befragung zufolge profitieren vor allem Menschen mit Berufsabschluss von Jobangeboten.
Weitere Gründe für eine fehlende Arbeitssuche sind laut Studie fehlende passende Stellen (49 Prozent) sowie aus Sicht der Befragten geringe finanzielle Verbesserungen durch Erwerbstätigkeit (26 Prozent). 22 Prozent nannten familiäre Verpflichtungen wie Kinderbetreuung oder Pflege. Elf Prozent gaben an, sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser zu halten.
Die Bertelsmann-Stiftung forderte, Bürgergeldempfänger stärker zu fördern und zu fordern. “Wer arbeiten kann und Angebote ohne triftigen Grund ablehnt, sollte konsequent sanktioniert werden”, sagte Stiftungsmitarbeiter Tobias Ortmann. Außerdem müsse Schwarzarbeit unterbunden werden. Menschen, die arbeiten wollten, aber nicht könnten, bräuchten hingegen mehr Unterstützung, etwa durch verlässliche Kinderbetreuung oder gezielte Weiterbildungen.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnte vor Fehlinterpretationen der Ergebnisse. Befragt worden seien ausschließlich Langzeitbeziehende ab zwölf Monaten Leistungsbezug; die aktivste Gruppe im ersten Bezugsjahr fehle. Rund 40 Prozent der Abgänge aus dem Bürgergeld erfolgten jedoch bereits im ersten Jahr.
Zudem habe die Mehrheit der Befragten laut Studie legitime Gründe für eine zeitweilige fehlende Jobsuche, etwa Krankheit, Kinderbetreuung oder die Teilnahme an Maßnahmen. Von den übrigen suchten 73 Prozent aktiv nach Arbeit. Die Debatte sollte sich daher auf die Qualität und Ausstattung der Jobcenter konzentrieren, so der Verband.
Die Studie basiert auf den Antworten von 1.006 erwerbsfähigen Bürgergeldbeziehenden, die mindestens seit einem Jahr Leistungen erhalten und arbeitslos oder arbeitsuchend sind. Alleinerziehende wurden ausgeschlossen. Die Befragung fand im Frühling diese Jahres telefonisch oder online statt.