Studie: Massive Langzeitfolgen sexualisierter Gewalt im Kosovo-Krieg
Rund 25 Jahre nach Ende des Kosovo-Krieges leiden die Überlebenden sexualisierter Gewalt nach wie vor massiv unter ihren traumatischen Erlebnissen. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Donnerstag veröffentlichte Studie der Kölner Frauenrechtsorganisation Medica Mondiale und ihrer kosovarischen Partnerorganisation Medica Gjakova über die Langzeitfolgen sexualisierter Kriegsgewalt im Kosovo. Die Verbrechen hätten für die Opfer bis heute tiefgreifende gesundheitliche, psychische und soziale Folgen. Medica Mondiale rief die Bundesregierung auf, als Geldgeberin Überlebende sexueller Gewalt im Kosovo und in anderen Konfliktregionen weltweit stärker zu unterstützen.
Fast alle befragten Überlebenden sexualisierter Gewalt, nämlich 96 Prozent, hätten bis heute mit starken Ängsten und Depressionen zu kämpfen, heißt es in der Studie. 86 Prozent leiden danach unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. 70 Prozent der Befragten empfinden ihr Leben nicht mehr als lebenswert. Rund die Hälfte hat Selbstverletzungsgedanken, knapp ein Drittel denkt an Selbsttötung. Hinzu kommen bei einem Großteil Schlafstörungen und Probleme im Verhältnis zu Männern wie Ängste oder Misstrauen.
Die sexualisierte Kriegsgewalt im Kosovo-Krieg (1997-1999) hat laut der Studie für viele Betroffene gesundheitliche Langzeitfolgen. Danach empfindet knapp die Hälfte der Befragten ihren Gesundheitszustand als schlecht. Mehr als 80 Prozent plagen Kopf- und Nackenschmerzen sowie Müdigkeit. Ein häufiges Problem sind für die Opfer auch Probleme beim Wasserlassen (knapp 60 Prozent).
Die nicht repräsentative Studie beruht auf Daten von 200 von der Organisation Medica Gjakova betreuten Überlebenden sexueller Gewalt, unter ihnen auch männliche Opfer. Hinzu kamen 20 Interviews Betroffener.
Opfer sexualisierter Gewalt würden im Kosovo immer noch ausgegrenzt und stigmatisiert, heißt es in der Studie. Aus Angst vor Diskriminierung oder aufgrund ihrer psychischen Belastung schränken laut der Studie fast 70 der Betroffenen ihre sozialen Kontakte ein. Ein Großteil der Befragten berichtete über Abwertung und Diskriminierung gegenüber Opfern sexualisierter Gewalt. Allerdings habe sich die Anerkennung in den vergangenen Jahren verbessert. Seit 2018 können Betroffene Reparationszahlungen in Höhe von 230 Euro pro Monat beantragen. Das langwierige Antragsverfahren sei jedoch immer noch einschüchternd und schmerzhaft, kritisieren viele der Befragten.
Medica Mondiale forderte die Bundesregierung auf, die medizinische und psychosoziale Unterstützung der Überlebenden, die rechtliche Aufarbeitung sowie ganzheitliche Maßnahmen zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt in internationalen Kriegsregionen auszubauen.
Die von der Kölner Ärztin Monika Hauser gegründete Organisation Medica Mondiale engagiert sich seit 1993 für Frauenrechte und gegen sexualisierte Gewalt. Die Arbeit begann mit einem Frauenzentrum in Bosnien und Herzegowina. Mittlerweile kooperiert Medica Mondiale mit einem Netzwerk aus rund 40 Frauenrechtsorganisationen in Südosteuropa, Afrika, Afghanistan und Irak.