Studie: Krankenkassen sollen mehr in Vorbeugung investieren

Wissenschaftler beklagen ein kurzfristiges Denken in der Krankenversicherung. Wenn die Kassen mehr in Vorbeugung und Gesundheitsförderung investierten, lohne sich das für alle.

Krankenkassen in Deutschland sollen mehr in Vorbeugung und Gesundheitsförderung der Versicherten investieren, statt Krankheitsfolgen auszugleichen. Dazu fordern Gesundheitsökonomen des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim eine Reform der Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen.

Das deutsche Gesundheitssystem biete im internationalen Vergleich eine umfassende Versorgung, heißt es in einer am Dienstag in Mannheim vorgelegten Studie. Allerdings liege Deutschland bei der Qualität des Gesundheitswesens hinter vergleichbaren Ländern mit niedrigeren Gesundheitsausgaben zurück. Ein Grund dafür sei ein kurzfristiges Denken von Gesundheitspolitik und Selbstverwaltung.

Konkret schlagen die Ökonomen eine veränderte Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen vor: Der Risikostrukturausgleich (RSA), der die Beiträge der Versicherten fair zwischen den einzelnen Krankenkassen aufteilen soll, solle längerfristiger ausgerichtet werden, um Fehlanreize in der Versorgung zu verringern.

„Im aktuellen Ausgleichssystem zwischen den Krankenkassen führen Maßnahmen, die die Gesundheit der Versicherten nachhaltig verbessern, potenziell zu weniger Zuweisungen in den Folgejahren. Langfristige Investitionen lohnen sich für die Krankenkassen also oft nicht“, heißt es in der Studie.

Die Wissenschaftler schlagen deshalb einen „Nachhaltigen Risikostrukturausgleich“ vor, bei dem die Zuweisungen an die Kassen für einen Zeitraum von zehn Jahren berechnet werden. Anders als bisher wären dadurch nicht nur kurzfristige Einsparungen, sondern auch langfristige Investitionen in Prävention und innovative Versorgungsformen wirtschaftlich rentabel. „So wird ein wirtschaftlicher Anreiz gesetzt, in die Gesundheit der Versicherten zu investieren“, erläutert ZEW-Präsident Achim Wambach, der den Reformvorschlag mitverfasst hat.

Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit in der Patientenversorgung stellen nach Darstellung der Studienautoren oft zuerst einen Kostenfaktor dar, der die Ausgaben kurzfristig erhöht und sie erst langfristig verringert. Durch den vorgeschlagenen längeren Zeithorizont lohne es sich finanziell auch für die Kassen, wenn die Versicherten nachhaltig gesund seien.

Deutschland habe mit einem Anteil von knapp zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts die zweithöchsten relativen Ausgaben für Gesundheitsleistungen unter allen westlichen Industrieländern, so die Studie. Trotzdem belege die Bundesrepublik allerdings nur den 21. Platz in Bezug auf die Lebenserwartung. Dies liege zu großen Teilen an einer hohen Sterblichkeit durch chronische Erkrankungen

„Die hohe Zahl von chronisch Kranken in Deutschland ist auch auf eine zu kurzfristige Ausrichtung des Systems zurückzuführen“, heißt es. Es nehme die Heilung bereits entstandener Erkrankungen wichtiger als Vorbeugung und Gesundheitsförderung.