Streit um Landesgesetz für offenen Ganztag in NRW reißt nicht ab

Der Fahrplan für den geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen sorgt in Nordrhein-Westfalen weiter für Streit zwischen schwarz-grüner Landesregierung und Opposition. Schulministerin Dorothee Feller (CDU) bekräftigte am Freitag im Schulausschuss des Landtags den Verzicht auf ein sogenanntes Ausführungsgesetz. Sie betonte zugleich die Wirksamkeit der jüngst beschlossenen Leitlinien, mit denen der Rechtsanspruch umgesetzt werden soll. Opposition und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) pochen dagegen auf gesetzlich festgelegte Standards.

Der bundesweite Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz für Grundschulkinder geht auf ein Bundesgesetz von 2021 zurück und soll ab dem Schuljahr 2026/27 in Kraft treten. Die Regelung beginnt mit den Erstklässlern und soll bis zum Schuljahr 2029/30 auch bei den Viertklässlern greifen. In den nun von der NRW-Landesregierung beschlossenen Leitlinien soll der Rechtsanspruch acht Stunden pro Schultag umfassen.

Feller erklärte, mit den in den Leitlinien festgelegten fachlichen Grundlagen könne der Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung erfüllt werden. Für die Kommunen und Schulträger sei damit Rechtssicherheit geschaffen worden. Der Ausbau gehe weiter voran und sei mit Investitionen von knapp 900 Millionen Euro verbunden. Ohnehin sei schon jetzt in 95 Prozent der Grundschulen offener Ganztag mit bestehenden rund 430.000 Plätzen möglich. Dies sei das größte Angebot der westdeutschen Flächenländer. Das Ministerium kritisierte, dass die Opposition die rechtliche Form vor die Inhalte setze.

„CDU und Grüne haben die rechtliche Absicherung vernachlässigt. Das ist ein politischer Offenbarungseid“, rügte dagegen die schulpolitische Sprecherin der FDP, Franziska Müller-Rech. Ziel müsse sein, den Rechtsanspruch sicher zu verankern und reibungslos umzusetzen. Die FDP fordert bis zum Sommer die Vorlage eines Ausführungsgesetzes. Auch nach Einschätzung der SPD ist der Verzicht auf einen gesetzlich festgeschriebenen Rechtsanspruch eine „politische Kapitulation“, wie die schulpolitische Sprecherin der Fraktion, Dilek Engin, betonte.

Die Bildungsgewerkschaft VBE NRW warnte, ohne verbindliche Vorgaben werde die Qualität des Ganztags abhängig vom Wohnort und damit zur „Glückssache“. Schon jetzt fehlten an vielen Orten die notwendigen Räumlichkeiten und das Fachpersonal, so die VBE-Landesvorsitzende Anne Deimel: „Es geht darum, wie ein guter Ganztag in den Grundschulen in circa zehn Jahren aussehen soll. Wir fordern die Landesregierung auf, einen solchen Ganztagsplan zu erstellen.“

Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) NRW warf der Landesregierung vor, sich mit dem Verzicht auf ein Ausführungsgesetz ihrer Verantwortung als Gesetzgeber zu entziehen. Die AWO sei „entsetzt über dieses Ergebnis, welches eine Sicherstellung von unverzichtbaren Qualitätsstandards im Offenen Ganztag komplett ignoriert, dringende Handlungsbedarfe verkennt und Kinder, Eltern und Fachkräfte völlig im Regen stehen lässt“, heißt es in einer Mitteilung vom Freitag.