Streit um Abtreibungsgesetze in US-Bundesstaaten

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen hat sich der US-Supreme-Court mit Konsequenzen seines Grundsatzurteils zur Abtreibung von 2022 befasst. Es geht um Abbrüche, wenn die Gesundheit der Mutter in Gefahr ist.

Richter Samuel Alito hat das Ende eines halben Jahrhunderts Rechtsprechung zur Abtreibung in den USA mit der Erwartung verteidigt, dass fortan nicht Gerichte, sondern Parlamente das Sagen haben. In den vergangenen vier Wochen mussten er und seine Kollegen vom US-Supreme-Court gleich zweimal zu Anhörungen, die sich mit den Konsequenzen aus dem wegweisenden Urteil von 2022 ergeben.

Mit diesem kippte das Oberste Gericht sein liberales Grundsatzurteil von 1973 und stellte fest, dass aus der Verfassung kein landesweit gültiges Recht auf Abtreibung abgeleitet werden kann. Die Zuständigkeit für die entsprechenden Gesetze liegt seither wieder bei den einzelnen Bundesstaaten.

Und dort wird nun erbittert darum gestritten, was geltendes Recht sein soll. Am Mittwoch hörte das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten in diesem Zusammenhang Argumente zu der Frage, inwieweit Idaho sein weitreichendes Abtreibungsverbot anwenden darf.

Der republikanisch regierte Teilstaat beschloss ein Verbot, das Ausnahmen nur bei Inzest, Vergewaltigung und Lebensgefahr für die Mutter vorsieht. Ärzte, die nach bestem Wissen zu einer entsprechenden Einschätzung gelangen, sind von Strafverfolgung und Lizenz-Verlust nicht betroffen. Allerdings herrscht unter vielen Medizinern Verunsicherung, was sie angesichts der neuen Regelung tun dürfen – und was nicht.

Die US-Regierung besteht darauf, dass Frauen im Krankenhaus schon dann einen Anspruch auf einen Abbruch haben, wenn ihre Gesundheit gefährdet ist. Lebensgefahr wäre demnach keine zwingende Voraussetzung. So sei es auch in einer landesweit gültigen Regelung zur Notfallversorgung vorgesehen. Die Biden-Administration will auf diese Weise verhindern, dass Behandlungen zu lange hinausgezögert werden.

Der Rechtsvertreter Idahos, Josh Turner, argumentierte indes, dass Ärzte durchaus entscheiden und tun könnten, was sie für medizinisch notwendig erachteten. Eine zögerliche Haltung sei in echten Notfällen unangebracht. Das wollte selbst die als konservativ geltende Richterin Amy Coney Barrett nicht einfach so stehen lassen. Was denn passiere, wenn ein Staatsanwalt zu einer anderen Einschätzung gelange und den Arzt verklage? “Das zählt zur Freiheit des Staatsanwalts”, so die Antwort.

Zu einem weiteren Streitfall fand bereits Ende März eine viel beachtete Anhörung statt. Dabei ging es um mögliche Zugangsbeschränkungen für die weit verbreitete Abtreibungspille Mifepristone.

Eine Entscheidung des Gerichts soll dem Vernehmen nach in beiden Fällen im Juni verkündet werden – mit potenziellen Konsequenzen für die Präsidentschafts- und Kongresswahlen im November. Denn allzu strikte Regelungen haben sich sogar in konservativen Staaten wie Kansas als unbeliebt erwiesen. “Wir müssen unseren gesunden Menschenverstand gebrauchen”, appellierte der republikanische Kandidat Donald Trump kürzlich an seine Parteikollegen. Ein landesweites Abtreibungsverbot lehnt er ab.

Unterdessen sorgt ein eigenwilliger Gerichtsentscheid im Bundesstaat Arizona weiter für Schlagzeilen. Dort sprach sich der Supreme Court vor rund zwei Wochen dafür aus, ein altes Gesetz aus dem Jahr 1864 wieder in Kraft zu setzen. Demnach wären Schwangerschaftsabbrüche in Arizona nahezu vollständig verboten. Eine Ausnahme ist nur dann vorgesehen, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Ärzte müssten bei Zuwiderhandlung mit einer Gefängnisstrafe rechnen. Derzeit sind Abtreibungen in dem Bundesstaat ab der 15. Schwangerschaftswoche verboten.

Dass die weitaus striktere Regelung aus dem 19. Jahrhundert tatsächlich wieder Anwendung findet, gilt jedoch als äußerst unwahrscheinlich. Die Richter setzten eine Frist zur Klärung offener Fragen. Arizonas demokratische Generalstaatsanwältin Kris Mayes kündigte an, niemanden aufgrund des alten Gesetzes zu verfolgen. Und am Mittwoch stimmte das Repräsentantenhaus mithilfe von drei republikanischen Abweichlern für eine Aufhebung. Eine Zustimmung des Senats wird ebenfalls erwartet.

Das kurze Wiederaufleben des Gesetzes aus der Bürgerkriegszeit ging auf eine Initiative von Mayes republikanischem Vorgänger Mark Brnovich zurück. Dieser hatte versucht, die historische Regelung zu reaktivieren, was zu einer Klage der Organisation Planned Parenthood führte. Die Richter in Arizona hielten das Gesetz formal zwar für rechtens. Doch die politische Stimmung hat sich seit dem Vorstoß von Brnovich, der seit mehr als einem Jahr nicht mehr im Amt ist, deutlich verändert.