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Streifzug durch die aktuelle Kunstproduktion

Es ist ein hartes Brot, das die jungen Künstlerinnen und Künstler des Óstov Collective in der Bundeskunsthalle servieren. Auf einem Tisch liegt ein Palianytsia, ein typisches ukrainisches Weißbrot. Es ist zur Hälfte appetitlich aufgeschnitten. Doch essbar ist es nicht, denn es besteht aus glatt poliertem Flussstein. Umgeben wird der Tisch von einer Soundinstallation: Klangschnipsel aus verschiedenen Teilen der Ukraine, die Zeugnis vom Leben der Menschen in Kriegszeiten geben.

„Why do we always sing sad songs?“ heißt die Arbeit der ukrainischen Künstlerin Zhanna Kadyrova. Das Óstov Collective, bestehend aus vier Studierenden der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, wählte Kadyrovas Arbeit als Ausgangspunkt einer raumumfassenden Installation, für die die jungen Künstlerinnen und Künstler nun ausgezeichnet wurden. Die Arbeit ist bis zum 7. Januar zusammen mit Werken von fünf weiteren Trägerinnen und Trägern des diesjährigen Bundespreises für Kunststudierende in der Bundeskunsthalle zu sehen.

Die Ausstellung der Siegerarbeiten sei ein Streifzug durch die aktuelle und junge Kunstproduktion in Deutschland, erklärt die Intendantin der Bundeskunsthalle, Eva Kraus. Die jungen Künstlerinnen und Künstler beschäftigen sich mit aktuellen gesellschaftlichen und geopolitischen Themen. Und eben auch mit einem der brennendsten Themen des vergangenen Jahres, dem Krieg in der Ukraine.

Das Óstov Collective bespielt einen ganzen Raum mit Video-Installationen und einer Serie von digitalisierten Fotografien, die auf lichtempfindlichem Material ohne Kamera entstanden. Es geht um das Zusammenstehen und die Trauerbewältigung in Zeiten des Krieges. So filmte das Künstler-Kollektiv eine ukrainische Seniorinnen-Gruppe, die unentgeltlich Tarnnetze für das Militär herstellt. Drei junge Menschen erzählen, wie sich ihre Wahrnehmung von Geräuschen seit Kriegsbeginn verändert hat.

Eine geopolitische Perspektive eröffnet die Installation von Su Yu Hsin, ebenfalls Studentin der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Kernstück der Installation ist die Video-Arbeit „Particular Waters“, die sich mit den Auswirkungen der Chip-Herstellung in Taiwan beschäftigt. Durch den immensen Wasserverbrauch der Halbleiter-Industrie, die 80 Prozent des weltweiten Bedarfs an Chips deckt, entstehen lokale Konflikte. Su Yu Hsins Film bewegt sich aus der Perspektive einer ehemaligen Chip-Fabrik-Arbeiterin zwischen Dokumentation und Fiktion.

Michael Fink von der Weißensee Kunsthochschule Berlin bricht mit der traditionellen Erwartung an Porträts. Statt Menschen stehen bei ihm Tiere und Pflanzen im Mittelpunkt. Er malt Pferde mit menschlichen Gesichtszügen sowie großformatige Porträts des Riesenbärenklaus – eine giftige Pflanze, die aus dem Kaukasus stammt und mittlerweile das hiesige Ökosystem bedroht. In einem Video lässt Fink einen großen Komposter aus Kunststoff an einem meterhohen Gestell pendeln. Dem Behälter entströmt Weihrauch – ein Hinweis auf traditionelle religiöse Rituale, etwa in der katholischen Kirche.

Mit einer Wandinstallation aus Stahl und Latexbändern sowie einer Serie von Zeichnungen nimmt Rahel Goetsch Bezug auf den Text „Der unmögliche Tausch“ des französischen Philosophen Jean Baudrillard. In seiner Theorie geht es um den Verlauf von Entscheidungen und die Vernetzung von Möglichkeiten. Goetschs Wandinstallation zeigt den Verlauf von auseinanderdriftenden Wegen, die zum Teil wieder zusammenfinden.

Talya Feldman, Studentin an der Hochschule für bildende Künste Hamburg, wurde für eine großflächige, auf drei Projektionsflächen aufgeteilte Video-Installation ausgezeichnet. Sie filmte in Rumänien Roma und Klezmer-Musiker, die an Gräbern musizieren. Ihr Thema ist die Kraft der Musik, Räume für Trauer und Heilung zu schaffen.

Hanna Kučera, die an der Hochschule für Bildende Künste Dresden studiert, zeigt eine skulpturale Installation aus verschiedenen Komponenten, die sie als „Player“ bezeichnet. Die Objekte aus Stahl, Leder, Silikon sowie Zeichnungen, sind Teil einer Performance, die in Teilen über QR-Code per Smartphone abrufbar sein wird.

Die sechs ausgezeichneten Positionen wurden von einer Experten-Jury aus insgesamt 48 Nominierungen der 24 Kunsthochschulen und Akademien in Deutschland ausgewählt. Der Bundespreis für Kunststudierende wird seit 1983 alle zwei Jahre vom Bundesbildungsministerium ausgelobt und vom Deutschen Studierendenwerk organisiert. Er ist mit insgesamt 30.000 Euro Preisgeld sowie Produktionsstipendien in Höhe von 18.000 Euro dotiert, die zu gleichen Teilen auf die Ausgezeichneten verteilt werden. Die Werke der Preisträgerinnen und Preisträger werden dieses Jahr zum 26. Mal in der Bundeskunsthalle ausgestellt.