Denkmalschutz werde zunehmend kritisch gesehen, klagt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz. Dabei stehen weniger als vier Prozent der Bausubstanz in Deutschland unter Schutz. Ein Weckruf mit einem Schwarzbuch.
Auf dem Buchcover ragt die rot-gefärbte Silhouette eines Abrissbaggers über einen großen Haufen Schutt. Auch das Inhaltsverzeichnis ist mit dem Foto eines Baggers in Staubwolken hinterlegt, der ein altes Gemäuer abreißt.
Für Dramatik ist also gesorgt in der neuesten Publikation der Deutschen Stiftung Denkmalschutz: So wie der Bund der Steuerzahler alljährlich sein “Schwarzbuch” über die Verschwendung von Steuergeldern veröffentlicht, so will die in Bonn ansässige Stiftung künftig jedes Jahr ein “Schwarzbuch der Denkmalpflege” vorlegen und exemplarisch auf “verlorene”, “gefährdete” und “gerettete” Denkmale aufmerksam machen. Eine erste Ausgabe für den Zeitraum 2023/2024 stellten Stiftungsvorstand Steffen Skudelny und Kommunikationschefin Eva Masthoff am Dienstag vor Journalisten in Berlin vor. Für kommende Ausgaben bittet die Stiftung die Öffentlichkeit, Informationen über bedrohte oder vernichtete Denkmäler an sie zu melden.
“Eines der ältesten Gasthäuser Deutschlands in Gefahr”, warnt das Schwarzbuch und erklärt, warum der “Schwarze Bär”, ein um 1580 mit prächtigem Fachwerk errichtetes Gebäude in Göttingen, vor dem Aus steht. Auf dem Foto der Stempel “GEFÄHRDET”. “Abriss 2024. VERLOREN” heißt es dagegen auf dem Foto eines 400 Jahre alten Handwerkerhauses in Landshut.
“Fast täglich fallen historische Objekte Abrissbaggern und destruktiven Planungen zum Opfer. Und das meist unbemerkt”, alarmiert die Stiftung, die im April ihren 40. Geburtstag gefeiert hat. Der Denkmalschutz sei in der Krise. “Jedes Jahr gehen viele Objekte unwiederbringlich verloren – und jedes verlorene Denkmal ist auch ein Stück verlorene Erinnerung, Identität und Kultur.” Denn Denkmale machten Städte und Dörfer unverwechselbar.
Mit konkreten Zahlen kann die Stiftung nicht aufwarten – die bundesweite Erfassung von Denkmalen gehört zu ihren zentralen Forderungen. Nach ihren Schätzungen sind drei bis vier Prozent des Baubestandes denkmalgeschützt. Auch bei den zerstörten Denkmalen gibt es nur Annäherungswerte: So seien 2023 und 2024 pro Jahr weit mehr als 400 Denkmale aus den Denkmallisten der Bundesländer ausgetragen worden.
Die Gründe sind vielfältig, die Wege zum Abriss aus Sicht der Denkmalschützer häufig erschreckend “kreativ”: bewusste oder unbewusste Vernachlässigung, scheinbar lukrative Neubauprojekte oder nicht kompatible Nutzungswünsche, eine Schwächung der Denkmalschutzbehörden oder vermeintliche Umweltschutz-Argumente. Gerade im politischen Bereich nehme die Unterstützung für Denkmalschutz mehr und mehr ab.
Dazu komme eine negative öffentliche Darstellung: In Deutschland werde Denkmalschutz in weiten Teilen negativ dargestellt: “Er gilt meist als Hindernis, nicht als wertvolles Instrument oder sogar Chance.” Denkmalschutz verhindere eine moderne Stadtentwicklung, sei starr und unflexibel, teuer und nicht nachhaltig, so die Vorwürfe.
Eine deutliche Rüge erteilt das Schwarzbuch der Deutschen Bahn: Egal ob Bahnhöfe, Lokomotiven, Stellwerke, Brücken, Trafo- oder Bahnwärterhäuschen – sie sei einer der Big Player bei Denkmalen. Doch kommt sie aus Sicht der Denkmalschützer ihren Verpflichtungen oft nicht nach.
Als Beispiel nennt das Schwarzbuch das im 19. Jahrhundert errichtete königliche Wartehaus im Bahnhof Prien am bayrischen Chiemsee. Dessen unter Denkmalschutz stehende Überdachung, auf Stützen aus Gusseisen mit fein ausgearbeiteter Ornamentik, sei “in einer Nacht-und-Nebel-Aktion” im Mai 2023 abgenommen worden. Eines der wenigen noch erhaltenen Teilstücke der Berliner Mauer mit Kolonnenweg, Leuchtmasten und Fundamentresten der Grenzmauer habe 2023 einer neuen Bahnbrücke weichen müssen.
Besonders häufig fallen laut Stiftung junge Denkmale dem Abriss zum Opfer – moderne Bauten oder Industriebauten, die mit Denkmalen aus Barock oder Gotik nicht mithalten könnten, heißt es im Schwarzbuch. Andere, ebenfalls oft bedrohte Denkmale sind inhaltlich “unbequeme” Bauwerke, die an negative Zeiten erinnern. Beispielsweise das monumentale Bogensee-Areal im brandenburgischen Wandlitz, das NS-Propagandaminister Joseph Goebbels als Villa erbaute und der FDJ in der DDR als Kaderschmiede diente. “Ein Abriss steht im Raum, unter anderem um ökologische Ausgleichsflächen für Bauprojekte in der Bundeshauptstadt zu schaffen”, kritisiert das Schwarzbuch.
Ebenfalls hochbedroht sind Verkehrsdenkmale: denkmalgeschützte Brücken, Tore oder Straßenzüge, die noch genutzt werden. Sie sind aus Sicht der Denkmalschützer dann gefährdet, wenn Auslastungsgrenzen überschritten werden – etwa die Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf, die Deutschlands erste in Betrieb genommene Schrägseilbrücke ist.