Steinmeier in Oradour: Freiheit muss verteidigt werden

“Schützen wir unser vereintes Europa!” Die Worte des Bundespräsidenten im französischen Oradour-sur-Glane klingen auch wie ein Nachhall auf die Europawahlen am Vortag – und die Wahlklatsche für seinen Gastgeber Macron.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zum 80. Jahrestag des Massakers von Oradour-sur-Glane die Wehrfähigkeit freier Gesellschaften beschworen. “Vergessen wir nie den Wert der Freiheit – unserer Freiheit, für die so große Opfer gebracht wurden”, sagte Steinmeier laut Redemanuskript bei der Gedenkveranstaltung am Montag in Oradour. Der Bundespräsident weiter: “Die Freiheit muss erkämpft und sie muss verteidigt werden. Damit Menschen in Frieden leben können.”

In Anwesenheit von Staatspräsident Emmanuel Macron betonte Steinmeier: “Unser Auftrag ist die Europäische Union! Gerade am Tag nach den europäischen Wahlen sage ich: Vergessen wir nie, was Nationalismus und Hass in Europa angerichtet haben! Vergessen wir nie das Wunder der Versöhnung, das die Europäische Union erreicht hat! Schützen wir unser vereintes Europa!”

Im Namen Deutschlands äußerte der Bundespräsident Erschütterung und Trauer über “die unfassbaren, die so grausamen und unmenschlichen Verbrechen”, die Deutsche in Oradour und in Frankreich begangen haben. Es sei beschämend, dass danach “Mörder straflos geblieben sind, dass schwerste Verbrechen nicht gesühnt wurden”. Damit habe Deutschland noch einmal eine zweite Schuld auf sich geladen.

Am 10. Juni 1944 ermordeten deutsche Soldaten eines Waffen-SS-Panzerregiments 643 Menschen, fast die gesamte Bevölkerung des Dorfes nahe Limoges. Die Männer erschossen sie, die Frauen und Kinder sperrten sie in der Kirche ein und verbrannten sie bei lebendigem Leib. Seither steht Oradour-sur-Glane für das schlimmste von Deutschen verübte Massaker des Zweiten Weltkriegs im Westen Europas.

Steinmeier dankte auch jenen, die sich trotz der geschehenen Verbrechen für Versöhnung einsetzten. Er sagte, wirkliche Versöhnung geschehe “in der alltäglichen Begegnung zwischen Menschen, die an dieses Leid erinnern – als Nachfolgende der Täter und als Nachfolgende der Opfer”. So verwies er auf zwei Frauen unter den Anwesenden; die eine Enkelin eines Täters, die andere eines Überlebenden.

An Macron gerichtet, erinnerte der Bundespräsident an die Errungenschaft der deutsch-französischen Freundschaft. Diese habe man noch vor wenigen Tagen bei Macrons Staatsbesuch in Deutschland feiern können. Steinmeier wörtlich: “Ich danke Dir dafür, mein Freund.”

Steinmeier ist das zweite deutsche Staatsoberhaupt, das Oradour besucht. Zusätzlich zu einer Ansprache Macrons waren dort eine gemeinsame Kranzniederlegung sowie eine Begegnung mit Jugendlichen vorgesehen. Für Dienstagabend (11. Juni) ist ein musikalisches Requiem in der Basilika Saint-Michel-des-Lions in Limoges geplant.