Immer weniger Kinder werden geboren – obwohl laut Experten der Kinderwunsch konstant bleibt. Ein Mix aus Krisen, Unsicherheit und Stillstand hemmt das Familienleben. Fachleute sehen die Politik in der Pflicht.
Die Familienpolitik in Deutschland muss aus Sicht von Bevölkerungsexperten umsteuern, um die Geburtenrate nicht noch weiter absinken zu lassen. “Verlässliche Kindertagesbetreuung, bezahlbarer Wohnraum und politische Handlungsfähigkeit sind essenziell, um jungen Menschen Sicherheit zu geben”, sagte Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung am Mittwoch in Wiesbaden. Dies könne dazu beitragen, dass tatsächlich vorhandene Kinderwünsche umgesetzt und nicht aufgeschoben würden. Nach statistischen Erkenntnissen der Forschungseinrichtung wünschen sich Frauen im Durchschnitt 1,76 Kinder – Männer 1,74.
Im vergangenen Jahr ist die Geburtenrate jedoch auf 1,35 Kinder je Frau gesunken, wie das Statistische Bundesamt im Juli mitteilte. 2024 kamen in Deutschland 677.117 Kinder zur Welt. Dabei war die Geburtenrate der Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit so niedrig wie zuletzt vor 30 Jahren: 1,23 Kinder je Frau. Die Geburtenziffer der Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit betrug 1,84 Kinder. Auch sie bekommen hierzulande den Angaben zufolge seit 2017 immer weniger Kinder.
Laut Forschungsinstitut ergibt sich aus Befragungen und Geburtenzahlen eine deutliche Geburtenlücke. Die durchschnittliche Kinderzahl, die sich junge Erwachsene wünschten, sei in den vergangenen Jahren konstant geblieben und liege deutlich über der aktuellen Geburtenrate, erklärte Carmen Friedrich, Wissenschaftlerin am Bundesinstitut. Die Lücke zwischen gewünschter Kinderzahl und Geburtenrate pro Frau liege im Schnitt bei 0,41 Kindern.
Gleichzeitig ist laut der Expertin die konkrete Absicht, in naher Zukunft ein Kind zu bekommen, spürbar zurückgegangen: Zwischen 2021 und 2024 sei der Anteil der 30- bis 39-Jährigen, die in den nächsten drei Jahren ein (weiteres) Kind planten, bei Frauen von 28 auf 24 Prozent und bei Männern von ebenfalls 28 auf 25 Prozent gesunken.
Der Geburtenrückgang bedeute keinen Rückgang des Kinderwunschs, sondern weise vielmehr auf ein Aufschieben hin, so Friedrich. Eine Erklärung vermuten die Forscher in subjektiv empfundenen Unsicherheiten, die sich aus einer Kombination von Krisen wie Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Klimawandel sowie ungewissen wirtschaftlichen und persönlichen Rahmenbedingungen begründeten.
Auch der Familienbund der Katholiken hatte zuletzt eine Reform von Maßnahmen zur Unterstützung von Eltern gefordert. So müsse etwa das Elterngeld an die Inflation angepasst werden, forderte Familienbund-Präsident Ulrich Hoffmann vorige Woche in Berlin. Weiter plädierte er für mehr Partnermonate bei der Elternzeit.