Start von „Schindlers Liste“ in den US-Kinos vor 30 Jahren

Das Mädchen mit dem roten Mantel ist eines der Symbole dieses Films. „Schindlers Liste“ von Steven Spielberg gefiel nicht jedem, rüttelte aber auf. Vor 30 Jahren kam der Film in die US-Kinos, in Deutschland dann 1994.

Im Februar dieses Jahres warnte Regisseur Steven Spielberg vor Antisemitismus in den USA: „Im Augenblick ist er eine klare und deutliche Gefahr für unsere Gesellschaft, in den Städten wie auch auf dem Land“, sagte der in den Vereinigten Staaten geborene Sohn jüdischer Eltern dem „Stern“. Anlass war sein autobiografischer Film „The Fabelmans“, der zu der Zeit in die Kinos kam.

Der Augenblick, von dem Spielberg noch vor einigen Monaten sprach, ist nicht vergangen – und im Gegenteil sehr präsent. Denn seit dem verheerenden Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und den israelischen Gegenschlägen im Gazastreifen erschreckt vielerorts die Zahl antisemitischer Straftaten und Vorfälle, auch in den USA.

Dort kam vor 30 Jahren, am 15. Dezember 1993, ein Aufsehen erregender Film von Spielberg in die Kinos: „Schindlers Liste“. Er befasst sich mit dem von den Nazis angerichteten monströsen Verbrechen an rund sechs Millionen europäischen Jüdinnen und Juden. Die Hauptfigur, der Deutsche Oskar Schindler, allerdings ist kein Jude, was Gegenstand der Kontroverse war, die der Film seinerzeit auslöste.

Schindler war NSDAP-Mitglied und Lebemann und ließ im Zweiten Weltkrieg rund 1.200 Jüdinnen und Juden in seiner Emaille- und Munitionsfabrik für sich arbeiten. Er bewahrte sie so vor dem Tod, denn ihre Namen standen auf einer Liste, damit sie nicht nach Auschwitz gebracht wurden. Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem erkannte Schindler und seine Ehefrau Emilie als „Gerechte unter den Völkern“ an.

Spielbergs Film, der zum Teil im alten jüdischen Krakauer Viertel Kazimierz gedreht worden war, gewann sieben Oscars. Liam Neeson spielte Oskar Schindler, Ralph Fiennes Amon Göth, den sadistischen Kommandanten des Lagers Plaszow bei Krakau, und Ben Kingsley Itzhak Stern, der sich an der Rettung der Jüdinnen und Juden beteiligte. 1994 kam der Film dann in Deutschland in die Kinos.

Er rührte Menschen zu Tränen, und eines der bekanntesten Bilder des Films ist das Mädchen im roten Mantel, das später tot in einem Leichenberg liegt. Der Film wurde gefeiert, aber auch heftig kritisiert. Der Holocaust in dramatischer Form, vom Regisseur von „E.T.“ und „Jurassic Park“? Was künstlerisch nach Auschwitz möglich war oder möglich sein durfte, bewegte da schon jahrzehntelang die Gemüter.

Da war die US-Fernsehserie „Holocaust“. Sie wurde im April 1978 zunächst in den USA, im Januar 1979 in Deutschland und vielen anderen Staaten ausgestrahlt. Die Serie erwies sich als Meilenstein der deutschen Fernsehgeschichte und als Start der Aufarbeitung der Judenvernichtung im Nationalsozialismus. Diese galt nun als filmerzählerisch vermittelbar. Auf dieser Basis konnten Werke wie eben „Schindlers Liste“ und später Roberto Benignis „Das Leben ist schön“ aufbauen.

1994 äußerte der – 2018 gestorbene – französische Filmemacher Claude Lanzmann in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ nicht nur künstlerische Vorbehalte an die Adresse Spielbergs: „Wie soll er sagen, was der Holocaust gewesen ist, indem er die Geschichte eines Deutschen erzählt, der 1.200 Juden gerettet hat, während doch die überwältigende Mehrheit der Juden nicht gerettet wurde?“

Lanzmann selbst hatte einen ebenfalls Aufsehen erregenden Film gedreht, der so komplett anders war als „Schindlers Liste“: die neunstündige Dokumentation „Shoah“. Sie erschien 1985 und lässt Opfer und Täter zu Wort kommen.

Nach Erscheinen seines Spielfilms widmete sich Spielberg auch der Dokumentation. Nicht als Film, aber in Form einer Stiftung, die weltweit Schilderungen von Holocaust-Überlebenden in Interviews für Forschung und Bildung aufnimmt – und damit über ihren Tod hinaus archiviert.

In diesen Tagen berichten Holocaust-Überlebende immer wieder, wie ihre Alpträume und Erinnerungen angesichts der Brutalität der Hamas, der Verschleppung von Menschen und des Auseinanderreißens von Familien wieder hochkommen. Auf der Internetseite von Spielbergs USC Shoah Foundation kann man sich jetzt auch Interviews von Zeuginnen und Zeugen der Hamas-Attacke vom 7. Oktober ansehen. Die Gespräche gehören in die Rubrik der Zeugnisse, die Antisemitismus nach 1945 dokumentieren.