Stärkere Schutzmaßnahmen an jüdischen Einrichtungen in NRW

Nordrhein-Westfalen verstärkt zum Jahrestag des Terroranschlags der Hamas gegen Israel die Schutzmaßnahmen für jüdische Einrichtungen. Um den 7. Oktober seien mehr polizeiliche Maßnahmen an Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen in NRW angeordnet worden, erklärte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwoch in Düsseldorf. Der Schutz jüdischen Lebens bleibe eine nicht verhandelbare Verpflichtung. Dass antisemitische Straftaten seit dem Angriff vor knapp einem Jahr deutlich zugenommen haben, zeigen unter anderem Zahlen aus dem Innenministerium.

Allein im ersten Halbjahr 2024 wurden fast doppelt so viele judenfeindliche Delikte erfasst wie im gleichen Zeitraum 2023. Von Januar bis Juni des laufenden Jahres wurden 245 Fälle verzeichnet, wie Zahlen aus dem NRW-Innenministerium ergeben, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegen. Das waren etwa 85 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2023, als die Behörden 132 antisemitische Straftaten registrierten. Zunächst hatte der WDR darüber berichtet.

Mit 119 Fällen hatten 2024 laut Statistik die meisten Taten einen rechten oder rechtsextremen Hintergrund und wurden der „Politisch motivierten Kriminalität (PMK) rechts“ zugeordnet. Bei 46 Straftaten wurde eine religiöse Ideologie erfasst, bei 43 Fällen eine ausländische Ideologie und bei vier Straftaten ein politisch linker Hintergrund. 33 Fälle wurden sonstigen Motivationen zugeordnet. Diese Straftaten reichten laut WDR etwa vom Zerreißen der israelischen Flagge, über Sachbeschädigungen und Markierungen von Häusern mit dem Davidstern bis hin zu sechs Gewalttaten.

Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) zeigte sich am Mittwoch besorgt über das anhaltend hohe Niveau antisemitischer Vorfälle und warnte vor einer „Normalisierung des Antisemitismus“. Der sprunghafte Anstieg antisemitischer Vorfälle präge den Alltag jüdischer Communitys und schränke ein offenes jüdisches Leben weiter ein. Das hohe Niveau der Vorfälle müsse ein Weckruf für die Mehrheitsgesellschaft sein, forderte Geschäftsführer Benjamin Steinitz. Rias-Meldestellen dokumentieren den Angaben zufolge bundesweit auch ein Jahr nach dem 7. Oktober antisemitische Vorfälle auf einem erheblich höheren Niveau als zuvor.

Reul betonte: „Mit Blick auf den sich nähernden Jahrestag des schrecklichen Angriffs auf Israel, die anstehenden jüdischen Feiertage im Oktober, aber auch die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten, müssen wir wachsam sein und entschieden allen Formen des Antisemitismus und Antizionismus entgegentreten.“ Bis einschließlich Freitag feiern jüdische Menschen auch das Neujahrsfest Rosch HaSchana.

Eine Studie im Auftrag des Landes hatte NRW vergangene Woche ein Antisemitismus-Problem bescheinigt. Demnach haben bis zu 24 Prozent der Befragten in unterschiedlicher Form antisemitische Einstellungen. Acht Prozent der Befragten vertraten religiös geprägte antisemitische Einstellungen. Fast ein Viertel glaubte an eine „jüdische Weltverschwörung“. Einer Relativierung oder sogar Leugnung des Holocaust stimmen 19 Prozent der Befragten zu. Auffällig israelfeindlich eingestellt seien vor allem 16- bis 18-Jährige, hieß es. Die Studie mit 1.300 per Quotenverfahren ausgewählten Menschen ab 16 Jahren wurde von Wissenschaftlern der Universitäten Düsseldorf und Passau realisiert.

Hamas-Terroristen hatten Israel am 7. Oktober 2023 überfallen und mehr als 1.200 Menschen im Süden des Landes getötet, die meisten unter ihnen Zivilisten. Außerdem nahmen sie mehr als 200 Geiseln.