Anas muss früher los, sich umziehen zum Fußballtraining. Mit seinem Bruder kickt der Syrer in einem Neuköllner Verein. Aida freut sich, dass ihr Mann noch rechtzeitig eintrifft. Der Venezolaner arbeitet in der IT-Branche in Berlin und kann erst nach Feierabend dabei sein. Er und seine Frau besuchen außer sonntags täglich ein anderes Angebot zum Deutschlernen in Kirchen der Stadt. Jeden Donnerstag kommen sie ins Gemeindezentrum der Kreuzkirche am Schmargendorfer Hohenzollerndamm zum „Sprachcafé“. Das besteht seit zehn Jahren.
Heute sitzen die Gäste entspannt draußen auf dem schattigen Hof bei Kaffee, Tee, Wasser und Gebäck, in anregende Gespräche vertieft. Angeboten von der Evangelischen Gemeinde leitet die Beauftragte für Flucht, Migration und Integration im Kirchenkreis Charlottenburg-Wilmersdorf, Susanne Pumpe, den Kreis seit mehr als neun Jahren. Sie begrüßt die Ankommenden, alles weitere läuft wie von selbst. Natürlich nur mit Unterstützung vieler ehrenamtlicher Helfer, die es von Anfang an gab. Die Kombination aus Haupt- und Ehrenamt sei ideal, sagt Pumpe. Die Freiwilligen gehören nicht immer zur Gemeinde, sind aber unbedingt an der Vermittlung und Festigung deutscher Sprachkenntnisse und dem guten Ankommen der neu zugezogenen Berliner interessiert.
Lust auf Engagement
Eine der Helferinnen ist Helga Flöcke. Sie ist von Anfang an dabei. Die ehemalige Buchhändlerin hatte, nachdem die Kinder aus dem Haus waren, Zeit und Lust, sich zu engagieren. Vielleicht Vorlesen in einer Schule? Als die große Fluchtwelle begann, wurden nahe der Kirche in einer Turnhalle Eltern mit Kindern, dann junge Männer untergebracht. So kam sie zum Sprachcafé, erinnert sie sich. Heute sind nur noch wenige Menschen im Asylverfahren in dem Kreis anzutreffen. Manche haben Schule und Ausbildung gemacht, Jobs gefunden, sind an einen anderen Ort in Deutschland gezogen oder wieder in ihrer Heimat, weiß Helga Flöcke. Die meisten Besucher jetzt sind mit Visum eingereist und wollen ihr Deutsch im Gespräch mit anderen erlernen und verbessern.
Die Atmosphäre ist entspannt. Mary aus Teheran hat einen Text über das Café geschrieben. Ihre Angst, dass sie nicht gut genug frei Deutsch sprechen kann, ist unbegründet. Seit drei Jahren sind sie und ihr Mann in Berlin. Er arbeitet in einem englischsprachigen Job. Mary will sich unterhalten können und auch arbeiten gehen, darum will sie ihr Deutsch verbessern und es auch anwenden, sagt sie. Inzwischen hat sie Vieles ausprobiert. Das Sprachcafé ist für sie allerdings mehr als nur Unterricht, es ist eine wichtige Gemeinschaft und wie eine zweite Familie geworden. „Dafür bin ich total dankbar!“ Die junge Frau erzählt auch über die Veränderungen im Iran. Wo heute Frauen mit Kopftuch auf den Straßen laufen müssen, konnte Mary als IT-Spezialistin früher ihr Haar zeigen, arbeiten, ins Café oder Kino gehen. Sie fuhr Go-Cart und sogar Autorallyes.
Zwischen alter und neuer Heimat
Familie ist für Mary sehr wichtig. Die Anfangszeit im neuen Zuhause Berlin war ohne die ihr vertrauten Menschen psychisch sehr belastend. Eine Rückkehr und spätere Besuche in der alten Heimat zeigen ihr aber immer wieder aufs Neue, dass sie momentan keine Zukunft dort hat: „Die Regierung verschleudert unser Land, Erlöse aus Öl und Strom finanzieren fremde Kriege“, sagt sie verbittert. Ein junger Mann kommt aus der Ukraine. Er konnte noch flüchten, bevor ihn der Einberufungsbefehl erreichte. Er arbeitet hier, hat Bauwesen studiert und spricht sehr gut Deutsch. Er hofft, dass der Krieg endlich endet. Trotzdem würde er gern in Deutschland bleiben. Ihm gefällt es hier und er glaubt an bessere Möglichkeiten für sich.
So verschieden die Geschichten der Gäste im Sprachcafé sind, eint alle die Hoffnung auf ein friedliches Leben und Fortkommen in Deutschland. Klar gibt es auch mal handfeste Gespräche: „Warum bekommen Ukrainer gleich Bürgergeld?“, war so eine Diskussion. Da müssen Susanne Pumpe und ihre Mitstreiter gut vorbereitet argumentieren. Das tun sie und werden von den Gästen auch dafür geschätzt. „Wir sind weiter offen für alle, die Deutsch lernen wollen und denen wir im Alltag helfen können“, fasst Susanne Pumpe zusammen.
Mehr Informationen finden Sie unter: www.kg-schmargendorf.de/gruppenkreise/sprachcafe-treffpunkt
