Sportpsychologe: Elfmeter-Schützen erleben oft Kinderangst

Mehrere Elfmeterschießen gab es bei der laufenden Fußball-Europameisterschaft bereits – für das Publikum oft ein Drama, für die Beteiligten erst recht. Ein Psychologe hat näher hingesehen.

Elfmeterschießen im Fußball sind nach Worten eines Sportpsychologen “eine furchtbare Angelegenheit”. Selbst Spieler, die als Helden verehrt würden, “erleben in ihnen eine Form von Angst, die sie zuletzt vielleicht als Kind gespürt haben”, sagte Geir Jordet der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (Dienstag). Er äußerte sich vor den Halbfinalspielen der Europameisterschaft der Männer; am Dienstagabend trifft Frankreich auf Spanien, am Mittwoch die Niederlande auf England.

Entscheidend für den Erfolg sei Kontrolle, erklärte der Forscher. Zuletzt habe etwa jeder englische Elfmeterschütze einen Spieler an seiner Seite gehabt, “der ihn zugleich beschützt und bestärkt. Auf diese Weise ist niemand auf sich allein gestellt, der unfassbare Druck, der auf einem Schützen landet, kann so zumindest ein wenig verringert werden.” Eine optimale Vorbereitung auf dieses “Team-Event” erfordere Jahre.

Viele Schützen handelten sehr schnell, weil sie Stress erlebten, sagte Jordet weiter. “Sie sind einer Situation ausgesetzt, in der sich die meisten nicht wohlfühlen – und deshalb wollen sie, dass diese Situation so schnell wie möglich vorbei ist. Das ist der menschliche Instinkt.” Zwischen dem Pfiff, mit dem der Schuss freigegeben werde, und dem Anlauf vergehe oft nicht einmal eine halbe Sekunde. Dabei müssten sich die Sportler die nötige Zeit nehmen, um die Kontrolle über sich und die Situation zu erlangen.

Länger als acht Sekunden sollte der Schütze derweil nicht warten, so der Rat des Elfmeter-Experten: Dann liege die Trefferwahrscheinlichkeit nur bei 44 Prozent. Der Torhüter wiederum könne die Zeitspanne beeinflussen, die vergehe, bevor der Schuss freigegeben werde: “Natürlich ist diese Zeit perfekt für Psychospielchen.”

Viele Elfmeterschießen hätten sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt, fügte Jordet hinzu. “Kein Spieler der Gegenwart kann sich dem entziehen, weil er immer wieder mit der Vergangenheit konfrontiert wird – und sei es nur, weil er danach befragt wird.” Sein Buch “Unter Druck – Was wir aus der Psychologie des Elfmeterschießens fürs Leben lernen können” erscheint im September bei Dumont.