SPD stimmt über Liberalisierung von Abtreibungen ab

Als erste Fraktion im Bundestag hat die SPD ein Positionspapier zur Abtreibungsfrage vorgelegt. Sie spricht sich für eine Liberalisierung aus. Die Fraktion stimmt am Nachmittag darüber ab.

In einem Positionspapier spricht sich die SPD für eine Liberalisierung von Abtreibungen aus. Über den Entwurf will die Fraktion am Dienstagnachmittag abstimmen. Danach soll die Frage der Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafgesetzbuchs geregelt werden. Zur Begründung heißt es unter anderem, dass das Recht auf Selbstbestimmung der Frauen durch die aktuelle Regelung nicht ausreichend berücksichtigt werde. Die SPD ist die erste Fraktion im Bundestag, die ein solches Positionspapier vorlegt.

Eine Abtreibung ist derzeit in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig. Sie bleibt jedoch straffrei, wenn sie in den ersten zwölf Wochen vorgenommen wird und die schwangere Frau sich zuvor beraten lässt. Ausdrücklich nicht rechtswidrig ist ein Schwangerschaftsabbruch nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahren für das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren.

Im April hatte eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission Empfehlungen für eine Liberalisierung vorgelegt und sie der Bundesregierung übergeben. Demnach empfiehlt das Gremium, eine Abtreibung in der Frühphase, den ersten zwölf Wochen, in jedem Fall straffrei zu stellen und als rechtmäßig zu kennzeichnen. Es obliege dem Gesetzgeber, das mit einer Beratungspflicht zu verbinden. In der mittleren Phase, bis zur 22. Woche, könne der Gesetzgeber entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Abbruch straffrei sein solle. Ab der 22. Woche sei der Abbruch rechtswidrig.

In dem Positionspapier heißt es weiter, die Pflicht zum Austragen einer Schwangerschaft greife tief in das körperliche und reproduktive Selbstbestimmungsrecht sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Frau ein. Zugleich hätten sich die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert, denn das Selbstbestimmungsrecht habe im Verfassungsrecht, Europarecht und Völkerrecht in den vergangenen Jahrzehnten ein größeres Gewicht bekommen. Damit lehnt sich die SPD an die Argumentation der Kommission an.

Weiter wird in dem Papier betont, dass die Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen im Strafgesetzbuch eine stigmatisierende Wirkung habe. Sie belaste Frauen und Familien in einem Schwangerschaftskonflikt zusätzlich und erschwere Ärztinnen und Ärzten die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen. Beschäftigte von Beratungsstellen erlebten ebenfalls Stigmatisierung. Ungewollt schwangere Frauen stießen heute auf Hindernisse beim Zugang zu Informationen und medizinischer Versorgung. Weiter empfiehlt das Papier auch ein Ersetzen der Beratungspflicht durch einen Rechtsanspruch auf Beratung.

Der Deutsche Caritasverband kritisiert das Papier. Eine Orientierung an der Überlebensfähigkeit eines Kindes außerhalb des Uterus sei lebensfremd “in einer Zeit, in der ein Ultraschall längst vorher zeigt, dass das Kind im Bauch der Mutter lebt, und in der wir wissen, wie viel Zeit, Aufmerksamkeit und Sorge ein Neugeborenes noch lange nach der Geburt braucht, um zu überleben”, so die Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa.

Weiter bemängelt sie ein “Aussetzen der Beratungspflicht”. “Das enttäuscht uns sehr”, so Welskop-Deffaa. Die Beratungspflicht habe sich für alle Beteiligten bewährt: Sie verschaffe den ungewollt schwangeren Frauen in einer belastenden Stresssituation verlässlich Zugang zu allen wichtigen Informationen. Und für Ärztinnen und Ärzte sei der Beratungsschein ein wichtiges Indiz, dass die Frau sich aus freiem Willen für eine Abtreibung entschieden habe und damit also die Vornahme der Abtreibung legal sei.