SPD-Abgeordneter: Missbrauchs-Aufarbeitung zu langsam

Schockiert äußerten sich viele nach der Veröffentlichung der EKD-Missbrauchsstudie. Doch schockiert sein reicht nicht mehr, meint der SPD-Abgeordnete Castellucci. Er fordert vom Familienministerium klare Maßnahmen.

Nach Veröffentlichung der Missbrauchsstudie der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci mehr Tempo für staatliche Maßnahmen angemahnt. „Das Ausmaß und auch der Umgang mit sexualisierter Gewalt sind nicht nur in den Kirchen erschreckend und Aufarbeitung steht trotz engagierter Arbeit vieler Institutionen und Einzelpersonen erst am Anfang“, heißt es in einem Brief des stellvertretenden Innenausschussvorsitzenden an Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne).

Bislang habe das Ministerium keine Initiative zur Stärkung der Missbrauchsaufarbeitung vorgelegt sowie keine inhaltlichen und methodischen Standards festgelegt, monierte Castellucci. „Die Prozesse dauern zu lang, die Ergebnisse sind untereinander nicht vergleichbar, die dringend notwendigen nächsten Schritte intransparent.“ Auch Anerkennungs- und Entschädigungsverfahren müssten vereinheitlicht werden. „Wir brauchen dringend verbindliche Vorgaben, ein staatliches Monitoring und Konsequenzen, wenn Standards nicht eingehalten werden“, betonte der Abgeordnete.

Die Vereinheitlichung müsse bei der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch angesiedelt werden. Dafür solle diese deutlich gestärkt und besser ausgestattet werden, „um ihrem Namen gerecht zu werden“, erklärte Castellucci. Zudem forderte er, die Kommission und den Posten der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs gesetzlich zu verankern. Eine Stärkung der staatlichen Institutionen bei der Missbrauchsaufarbeitung sei auch Teil des Koalitionsvertrags zwischen SPD, Grünen und FDP gewesen. Auch eine Stiftung für Opfer sexualisierter Gewalt sowie eine Gedenkveranstaltung im Bundestag unter Einbeziehung Betroffener sollten eingeführt werden.

Ebenfalls erneuerte Castellucci die Forderung nach einer bundesweiten Dunkelfeldstudie, „die das wahre Ausmaß sexualisierter Gewalt aufdeckt und eine Datengrundlage schafft, die fortgeschrieben werden muss“. Eine solche Dunkelfeldstudie hatten Betroffene und Experten schon in der Vergangenheit gefordert, unter anderem auch der Mannheimer Psychiater Harald Dreßing, der Mitautor der EKD-Forum-Studie ist. Ein Lagebild zu sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige in Deutschland hatte das Bundeskriminalamt erstmals in vergangenen Oktober vorgelegt.