Spaltungen in Europa überwinden

Kirchen-Appell an junge Menschen: An EU-Wahlen teilnehmen.

Zerstörte Häuser in Donezk, einsame alte Menschen, die Jüngere schicken müssen, um ihre kleine Rente abzuholen, weil sie sich selbst nicht mehr auf den gefährlichen Weg machen können im Bürgerkriegsgebiet der Ostukraine. Der bald fünfjährige Krieg hat die Lebensbedingungen vor Ort radikal verändert. Wer kann, verlässt die Region. Es bleiben vor allem Alte, Kinder und Mittellose.

Davon und von engagierten Ukra­inern in Donezk berichteten Augenzeugen bei einem „Europatag“ in Bochum. Stadt und Kirchenkreis sind seit mehr als 30 Jahren partnerschaftlich verbunden mit der ehemaligen Bergarbeiterstadt im sogenannten Donbass. Trotz aller Widrigkeiten besteht die Beziehung weiter, Menschen in Westfalen wie in der Ost­ukraine helfen Notleidenden vor Ort.

In vier weiteren Kirchenkreisen fanden „Europatage“ statt. Iserlohn machte das Gedenken an den Ersten Weltkrieg und die Versöhnung zwischen West und Ost zum Thema. Mehr als 35 Vertreterinnen und Vertreter aus Polen, Ungarn, Rumänien, Österreich, Russland und den Niederlanden waren in der Friedenskirche in Letmathe zusammengekommen. Tragende Säule bildete die Partnerschaft zwischen der evangelischen Kirchengemeinde im südpolnischen Jawor und der evangelischen Kirchengemeinde Letmathe. Im Kirchenkreis Arnsberg diskutierten Schüler und junge Erwachsene des Berufskollegs Brilon über den Brexit und die Entstehung der Europäischen Union (EU). In Lippstadt ging es um faire Löhne und den fairen Handel. Denn polnische Pflegekräfte etwa werden europaweit als billige Arbeitskräfte eingesetzt im ambulanten und statio­nären Bereich. Die Einhaltung von Sozialstandards und angemessener Löhne sind immer noch Streitpunkte, obwohl Polen bereits seit 15 Jahren EU-Mitglied ist.

Bei allen kreiskirchlichen Europatagen wurde deutlich: Beziehungen, Freundschaften und Solidarität in Europa leben auch auf kirchlicher Ebene – und zwar weit über die Grenzen der EU hinaus.

Die EU wird auch in diesem Jahr im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen. Im Mai stehen die Wahlen zum 9. EU-Parlament an. Alle Parteien haben ihre Kandidatinnen und Kandidaten nominiert und ihre Programme aufgestellt. Offen ist, wie viele Sitze europafeindliche, rechtspopulistische Parteien erringen und ob sie eine gemeinsame Fraktion bilden werden, um das Projekt Europa aus dem Parlament heraus zu zerstören. In Deutschland verkündet die AfD, dass sie auf Dauer das Europaparlament auflösen möchte und Europa zu einer Ansammlung von Nationalstaaten zurückbauen wolle. In Italien tritt Silvio Berlusconi als Spitzenkandidat seiner Partei Forza Italia an. Im eigenen Land durfte er als rechtskräftig verurteilter Straftäter bei Wahlen nicht kandidieren.

Und welche Rolle spielen dabei die Kirchen? Auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im November 2018 waren Sorgen um den demokratischen Fortbestand der EU durchaus vorhanden. Mit einem Synodenbeschluss lud die Vertretung aller deutschen Landeskirchen ein, sich aktiv an der Debatte um die EU zu beteiligen und zu diskutieren, welches Europa wir vor dem Hintergrund christlicher Grundüberzeugungen wollen. Es geht darum, Spaltungen zu überwinden, Nationalismus und Extremismus entschieden zu begegnen und ökumenische Partnerschaften grenzüberschreitend zu fördern. Die westfälische Landeskirche machte sich das Anliegen der EKD zu eigen und forderte auf ihrer Herbstsynode, besonders junge Menschen zur Teilnahme an den Europawahlen zu motivieren.

Thomas Krieger ist Europareferent und stellvertretender Leiter des Amtes für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe) der EKvW in Dortmund.